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30. Mai 2024, von Michael Schöfer
Die Torheit der Wählenden


Was ist bloß in die Menschen gefahren? Warum wünschen sich so viele autoritäre Verhältnisse, obwohl doch gerade die deutsche Geschichte zeigt, wohin so etwas führt? Angesichts dessen drängt sich die Frage förmlich auf: Denken die nicht nach? Nicht einmal ein bisschen? Entsetzt bin ich insbesondere über die Wahl im Landkreis Hildburghausen/Thüringen. Am 26. Mai haben dort im ersten Durchgang der Wahl des Landrats 8.422 der insgesamt 34.619 Wähler einen gewissen Tommy Frenck gewählt, das waren satte 24,9 Prozent der gültigen Stimmen. Frenck erhielt mehr als der drittplatzierte Dirk Lindner (CDU) und kommt damit in die Stichwahl, die zeitgleich mit der Europawahl am 9. Juni stattfindet. [1]

Eigentlich hätte Frenck gar nicht antreten dürfen, weil gemäß § 24 Abs. 3 des Thüringischen Kommunalwahlgesetzes nicht gewählt werden darf, "wer nicht die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung eintritt". [2] Der Wahlausschuss hat ihn trotzdem zugelassen - in meinen Augen ein klarer Verstoß gegen das Kommunalwahlgesetz. Was bringen Schutzmechanismen gegen die Feinde der Demokratie, wenn sie von denen, die sie anwenden sollen, bewusst ignoriert werden?

Tommy Frenck ist laut Landesverfassungsschutzbericht ein deutschlandweit bekannter Thüringer Rechtsextremist und ehemaliger Funktionär der verfassungsfeindlichen NPD. [3] Vom Amtsgericht Hildburghausen wurde er wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 2.500 Euro verurteilt, "weil er öffentlich ein T-Shirt mit den Buchstaben 'HTLR' getragen und das Foto davon in öffentlichen Netzwerken gepostet hatte". [4] Das Urteil ist rechtskräftig. Die örtliche Regionalpresse bezeichnet ihn als "Hitler-Verehrer" bzw. "Hitler-Fan". [5] Sollte es von seiner Seite Klagen gegen diese Einordnung gegeben haben, so waren diese offenbar erfolglos.

Knapp ein Viertel der Wählerinnen und Wähler im Landkreis Hildburghausen haben also einen Neo-Nazi gewählt. Was mögen sich diese 8.422 Menschen dabei wohl gedacht haben? Reicht der Frust über die Regierenden und deren Politik wirklich aus, um Demokratiefeinde zu wählen? Oder ist es gar die echte Sehnsucht nach einer Diktatur? Wobei man auch im Landkreis Hildburghausen über das Grauen der Nazi-Zeit durchaus Bescheid weiß [6] und es bis zur Gedenkstätte des Konzentrationslagers Buchenwald nicht allzu weit ist. Hinzu kommen die Erinnerungen an die Diktatur in der DDR, die erst 1990 endgültig überwunden wurde. Allen, die jemanden wie Frenck wählen, müsste doch klar vor Augen stehen, was solche Extremisten anstreben.

Ich bin ebenso verwundert wie ratlos, denn für mich ist das rational nicht zu erklären. Dass es überall ein paar Unverbesserliche gibt, ist natürlich auch mir klar. Aber 24,9 Prozent der Wählerinnen und Wähler? Was passiert da gerade? Und warum?

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[1] Thüringer Landesamt für Statistik, Wahl der Landräte und Oberbürgermeister der kreisfreien Städte 2024, vorläufiges Ergebnis, Landkreis 069 Hildburghausen
[2] Freistaat Thüringen, Kommunalwahlgesetz vom 16.08.1993
[3] Freistaat Thüringen, Verfassungsschutzbericht 2022, Seite 35, PDF-Datei mit 2 MB
[4] mdr vom 30.06.2020
[5] insuedthueringen.de vom 20.03.2024
[6] insuedthueringen.de vom 30.03.2020