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25. Juli 2024, von Michael Schöfer
Mal wieder ein echter Ploß


Der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß sagte im Deutschlandfunk, "das Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg komme viel zu spät. Die Vorwürfe gegen das Zentrum seien bereits seit Jahren bekannt gewesen. Bundesinnenministerin Faeser handle aber immer erst dann, wenn der öffentliche Druck auf sie zu groß werde." [1]

Natürlich ist es die Pflicht eines Oppositionspolitikers, sich über das Handeln der Regierung zu beklagen. Genauer: Im vorliegenden Fall über das längere Zeit unterbliebene Handeln der Regierung. Richtig ist, dass das IZH seit Jahrzehnten vom Verfassungsschutz beobachtet wird und als verlängerter Arm des Mullah-Regimes in Teheran gilt. Nur gehört halt auch zur Wahrheit, dass das für Verbote überregional tätiger Vereine zuständige Bundesinnenministerium in den 16 Merkel-Jahren durchgängig in der Hand der Union war.
Bundesinnenminister vom 22.11.2005 bis 28.10.2009: Wolfgang Schäuble (CDU)
Bundesinnenminister vom 28.10.2009 bis 03.03.2011: Thomas de Maizière (CDU)
Bundesinnenminister vom 03.03.2011 bis 17.12.2013: Hans-Peter Friedrich (CSU)
Bundesinnenminister vom 17.12.2013 bis 14.03.2018: Thomas de Maizière (CDU)
Bundesinnenminister vom 14.03.2018 bis 08.12.2021: Horst Seehofer (CSU)
Insofern hätte Ploß Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) loben müssen, denn im Gegensatz zu seinen Parteifreunden hat sie gehandelt.

Das war mal wieder ein echter Ploß, schließlich ist er für solche intellektuellen Fehlleistungen bekannt. [2] Es hat wohl schon seinen Grund, warum die CDU in Hamburg bei den Bundestagswahlen 2005 bis 2021 von 28,9 Prozent der Zweitstimmen auf magere 15,4 Prozent abgesunken ist. Und genauso, warum das Direktmandat des Bundestagswahlkreises Hamburg-Nord 2021 nach 12 Jahren CDU-Vorherrschaft von Ploß verspielt wurde und wieder an die SPD fiel. Gewogen und für zu leicht befunden. Anders als Christoph Ploß anscheinend vermutet, sind die Wählerinnen und Wähler ja nicht doof. Sie merken, wenn man sie mit unaufrichtigem Politikergeschwätz zu veräppeln versucht.

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[1] Deutschlandfunk vom 24.07.2024
[2] siehe etwa Focus-Online vom 29.02.2024