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26. Juli 2024, von Michael Schöfer
Verachtung für die Armen

In Kalifornien gibt es 180.000 Obdachlose und viel zu wenig bezahlbaren Wohnraum. Selbst Arbeitnehmer aus der Mittelschicht können sich angesichts der horrenden Mieten oft keine Wohnung mehr leisten, von Wohneigentum ganz zu schweigen. 2022 kostete in San Francisco die Miete für eine Drei-Zimmer-Wohnung im Schnitt 4.000 US-Dollar. [1] Davon, dass die Reichen immer reicher werden, haben viele überhaupt nichts. Und was macht der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom? Er räumt die Obdachlosen einfach beiseite, was natürlich kein einziges Problem löst. Aber aus dem Auge, aus dem Sinn.

In dieser Aktion drückt sich eine zum Himmel schreiende Verachtung der Armen aus. Gavin Newsom ist übrigens Demokrat. Besser wäre, die Armut zu bekämpfen anstatt die Armen. Dem demokratischen Ost- und Westküstenestablishment sind die häufig in prekären Jobs arbeitenden Menschen allerdings schon seit langem egal. Kein Wunder, dass die Demokraten zu kämpfen haben. Der brandgefährliche Populist Donald Trump hat es verstanden, die Wut und die Verzweiflung der Zukurzgekommenen, die sich vom Establishment verraten fühlen, zu kanalisieren.

Dass Newsom glaubt, sich kurz vor den Wahlen ausgerechnet mit einer solch niederträchtigen Aktion profilieren zu müssen, könnte für die Demokraten nach hinten losgehen. Diejenigen, die tagtäglich ums Überleben kämpfen, fragen sich vielleicht, was aus ihnen wird, falls sie den Kampf verlieren. Weggeräumt wie Straßenmüll? Wie überall gilt auch in Amerika: Man muss die Probleme lösen. Bloß die Symptome zu bekämpfen, ist völlig nutzlos und destabilisiert die Gesellschaft.

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[1] Augsburger Allgemeine vom 29.04.2022