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15. November 2024, von Michael Schöfer
Wenn wir so weitermachen…


Alle Jahre wieder… Nein, es soll hier nicht um Weihnachten gehen, sondern um die alljährlich stattfindende Weltklimakonferenz, die dieses Jahr in Aserbaidschan zusammenkommt. Und natürlich um das absehbare Scheitern derselben, denn bislang sprangen dabei bloß unverbindliche Absichtserklärungen heraus (auch wenn Applaus und Tränen, wie beispielsweise 2015 in Paris, einen Durchbruch suggerierten). In Wahrheit steigen die Emissionen unaufhörlich. Gewiss, es gibt regionale Fortschritte, aber global sieht es recht düster aus. Bedauerlicherweise ist es der Natur egal, wo die Treibhausgase emittiert werden, denn sie richtet sich einzig und allein nach deren Anteil in der Erdatmosphäre. Und Luft kennt bekanntlich keine Grenzen.

CO2-Anteil in der Erdatmosphäre [1]
ppm (parts per million) Ø
1959
1960
1961
1962
1963
1964
1965
1966
1967
1968
1969
1970
1971
1972
1973
1974
1975
1976
1977
1978
1979
1980
315,98
316,91
317,64
318,45
318,99
319,62
320,04
321,37
322,18
323,05
324,62
325,68
326,32
327,46
329,68
330,19
331,13
332,03
333,84
335,41
336,84
338,76
1981
1982
1983
1984
1985
1986
1987
1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
340,12
341,48
343,15
344,87
346,35
347,61
349,31
351,69
353,20
354,45
355,70
356,54
357,21
358,96
360,97
362,74
363,88
366,84
368,54
369,71
371,32
373,45
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
2019
2020
2021
2022
2023
2024
375,98
377,70
379,98
382,09
384,02
385,83
387,64
390,10
391,85
394,06
396,74
398,81
401,01
404,41
406,76
408,72
411,65
414,21
416,41
418,53
421,08
425,65



Die weltweiten CO2-Emissionen werden allen Bemühungen zum Trotz auch 2024 steigen, voraussichtlich auf ein neues Rekordhoch von rund 37,4 Mrd. Tonnen (0,8 % mehr als 2023). Das 1,5 Grad-Ziel, die Erhöhung der Durchschnittstemperatur im Vergleich zur vorindustriellen Zeit nur bis zu dieser Schwelle ansteigen zu lassen, ist faktisch in unerreichbare Ferne gerückt. Dem Copernicus Climate Change Service zufolge wird sie 2024 erstmals über 1,5 Grad liegen, 2023 lag sie mit 1,48 Grad noch knapp darunter. [2] Der Trend ist eindeutig und nicht zu leugnen. Wenn die Treibhausgasemissionen weiter nahezu ungebremst steigen, wird die Durchschnittstemperatur am Ende des 21. Jahrhunderts ungefähr 4,4 Grad (3,3 bis 5,7 Grad) über dem vorindustriellen Niveau liegen, was definitiv Teile der Erde für Menschen unbewohnbar macht. [3] Der Deutsche Wetterdienst sagt für Deutschland, Österreich und die Schweiz einen Temperaturanstieg um 4,0 bis 7,5 Grad voraus. [4] Bislang unvorstellbare Flüchtlingsströme, Naturkatastrophen, Kriege und Hungersnöte wären die Folge.


 Globale Oberflächenlufttemperatur 1980-2024
Abweichung gegenüber dem Referenzzeitraum 1991-2020

Die Geologin Kasia Sliwinska hat kürzlich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung darauf hingewiesen, dass der CO2-Anteil im Miozän vor 17 bis 15 Millionen Jahren auf über 420 ppm gestiegen ist (das von uns erreichte Niveau), und damals war es "weltweit zwischen drei und fünf Grad wärmer als in vorindustrieller Zeit". Verbunden mit der eindringlichen Warnung: "Wenn wir so weitermachen, werden wir den CO2-Gehalt der Atmosphäre auf ein Niveau anheben, das seit dem sogenannten frühen Eozän-Klimaoptimum vor 54 bis 49 Millionen Jahren nicht mehr erreicht wurde. Zu dieser Zeit war es so warm, dass auf der Antarktis Palmen wuchsen und im hohen Norden Alligatoren lebten. Es war insgesamt sehr heiß, mit sehr hoher Luftfeuchtigkeit. Es ist schwer, sich vorzustellen, wie Menschen unter solchen Bedingungen leben könnten." [5]

Vor 15 Millionen Jahren war der Meeresspiegel 22 bis 30 Meter höher als heute. Das heißt: London, Hamburg, Bremen, Kopenhagen und Manhattan unter Wasser. Immerhin sieht man noch die Hochhäuser aus dem Wasser herausragen. Die Niederlande komplett ausgelöscht. Bloß um ein paar markante Beispiele zu nennen. Natürlich dauert es noch ein paar Jahrhunderte, bis wir wieder so weit sind. Aber hätten schon die Römer die Dampfmaschine erfunden, wäre das heute bereits Realität. Wir leben buchstäblich nach dem Motto: Nach uns die Sintflut.

Im Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum (PETM) waren möglicherweise gewaltige Vulkanausbrüche und/oder die massive Methan-Freisetzung durch hydrothermale Schlote die Ursache für den rapiden Temperaturanstieg auf ein Niveau, das ca. 12 Grad über dem heutigen lag. Die Erde war damals völlig eisfrei. Bei einem vollständigen Abschmelzen der Eisschilde würde der Meeresspiegel um etwa 66 Meter steigen. Berlin liegt nur 35 m über Normal-Null (mittlere Höhenlage des Ortskerns) und stünde dann ebenso unter Wasser wie Köln (55 m über NN) und Magdeburg (56 m über NN). [6] Das National Geographic magazine hat Bilder aller Kontinente veröffentlicht und deren Aussehen nach dem Meeresspiegelanstieg nachvollziehbar gemacht. [7] Schauen Sie sich die Küstenlinien ruhig einmal genauer an. Mehr braucht man dazu eigentlich nicht zu sagen. Außer vielleicht, dass die Amerikaner am 5. November 2024 einen Präsidenten gewählt haben, der den Klimawandel für eine Erfindung der Chinesen hält. Welch bodenlose Dummheit, jeder vernünftig denkende Mensch ist entsetzt darüber. Aber wahrscheinlich wird Trumps Klimapolitik die nächsten Jahre prägen. Eine Katastrophe, denn es wird schlimmer statt besser.

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[1] National Oceanic & Atmospheric Administration (NOAA), Global Monitoring Laboratory, Trends in CO2, Data, 2024 = Trend aus den Daten bis Oktober 2024
[2] Copernicus, Climate bulletin, Surface air temperature, Surface air temperature for October 2024, Highlights for October 2024
[3] GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Der Meeresspiegelanstieg nimmt an Fahrt auf! Wo ist Endstation?
[4] DWD vom 08.11.2024
[5] Süddeutsche vom 11.11.2024 (Paywall)
[6] Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2019, Seite 15, PDF-Datei mit 12 MB
[7] National Geographic magazine, September 2013