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08. Januar 2025, von Michael Schöfer
Ganz großes Kino


Kann das Ansehen der Politiker eigentlich noch tiefer sinken? Man sollte es nicht für möglich halten, aber es geht tatsächlich. Christian Stocker, wahrscheinlich der künftige ÖVP-Parteivorsitzende und vermutlich auch der Steigbügelhalter Herbert Kickls (FPÖ), macht es vor: "Eine Koalition mit FPÖ-Chef Herbert Kickl wird die ÖVP (...) nicht eingehen." "Herbert Kickl hat mit seiner rechtswidrigen Hausdurchsuchung das BVT zerstört und das Vertrauen internationaler Partner verloren." Und: "Herbert Kickl bleibt demokratiepolitisch seiner Radikalität auch im FPÖ-Wahlprogramm treu. Das sieht man allem voran daran, dass Kickl unsere Demokratie aushebeln will." [1] Äußerungen aus dem vergangenen Jahr. Doch jetzt geht es angeblich um Österreich, wie Stocker auf der Website seiner Partei verkündet. Keinesfalls um die Partei. Oder gar um die eigene Person. Natürlich nicht. Die ÖVP handelt absolut uneigennützig. Genau besehen erscheint der Demokratiezerstörer Kickl plötzlich nicht mehr ganz so schlimm - jedenfalls in den Augen von Stocker. "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern", die Mutter aller Ausreden ist auch in unserem Nachbarland weit verbreitet.

Noch viel toller (im Sinne von "verrückt") treibt es ein gewisser Donald Trump in den USA. "Ich werde keinen Krieg starten, ich werde Kriege beenden", verkündete er vollmundig in der Wahlnacht. [2] Doch er hat nichts von seinem erratischen Charakter verloren. Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern. Trump droht noch vor der Amtseinführung am 20. Januar 2025 mit Krieg, denn er will unbedingt den Panama-Kanal zurückhaben. Aber er droht auch einem Nato-Partner, weil er obendrein Grönland haben möchte, das zurzeit bekanntlich zu Dänemark gehört. "Der Panama-Kanal ist lebenswichtig für unser Land. Er wird von China betrieben. (…) Im Interesse der nationalen Sicherheit und der Freiheit in der Welt sind die USA der Ansicht, dass der Besitz und die Kontrolle von Grönland eine absolute Notwendigkeit sind. (…) Die Frage eines Journalisten, ob er der Welt versichern könnte, keinen militärischen oder wirtschaftlichen Zwang anzuwenden, verneinte Trump." [3] Immerhin droht er Kanada, das er zum 51. Bundesstaat der Vereinigten Staaten machen will, nur mit "wirtschaftlicher Gewalt". Hauptsache, der flächenmäßig größere Nachbarstaat ist gefügig.

Das ist ganz großes Kino: In Österreich verschleudert die konservative ÖVP den letzten Rest ihrer ohnehin geringen Reputation und eifert wider allen historischen Erfahrungen Franz von Papen nach. Und in den USA bestätigt Donald Trumps Hybris alle politischen Beobachter, die seit Jahren eindringlich vor ihm warnen. Dabei sehen wir momentan bloß den Trailer, der Hauptfilm beginnt erst mit Trumps Amtseinführung und der noch nicht terminierten Vereidigung Kickls. Aber schon jetzt steht fest: Es wird ein Filmklassiker, an den wir uns noch lange erinnern werden. Holt Popcorn und lehnt euch entspannt zurück, es wird bestimmt ein phantastisches Erlebnis.

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[1] Kleine Zeitung vom 06.01.2025
[2] ZDF vom 19.12.2024
[3] tagesschau.de vom 07.01.2025