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06. Februar 2025, von Michael Schöfer
Unrealistische Ratschläge

"Viele Vermögensverwalter empfehlen Gold als Beimischung im Depot und als Absicherung gegen Krisen", liest man immer wieder im Wirtschaftsteil vieler Zeitungen. "Wir halten einen Anteil von bis zu zehn Prozent für sinnvoll", schreibt auch Finanztip. Und die Stiftung Warentest sagt ebenfalls: "Wir halten einen Goldanteil von um die 20 Prozent des Renditebausteins - das heißt 10 Prozent der gesamten Anlagesumme - für einen vernünftigen Ansatz."

Stephan Radomsky, Redakteur im Wirtschaftsressort der Süddeutschen Zeitung, plädierte in der gestrigen Ausgabe dafür, die Sparer sollten angesichts der Niedrigzinsen auf Spar- und Tagesgeldkonten auch "ein kleines bisschen" in Gold investieren. [1] Die Deutschen hätten nämlich "in den vergangenen Jahrzehnten unter dem Strich die längste Zeit beim Sparen" Geld verloren. Stichwort: Inflation.

Hinterfragt niemand in den Wirtschaftsredaktionen solche Ratschläge? Bitte einfach mal nachrechnen: Die privaten Haushalte in Deutschland besaßen Ende 2023 laut Statista 2.132 Mrd. Euro an Bargeld und Sichteinlagen bei Banken, 10 Prozent davon sind demzufolge 213,2 Mrd. Euro.

Die Feinunze Gold (31,1034768 Gramm) kostet derzeit 2.758,35 Euro (Stand 05.02.2025, 18:15 Uhr bei Tagesschau, Aktuelle Börsenkurse im Überblick). Für 10 Prozent des Bargelds und der Sichteinlagen bekämen die Deutschen demnach rechnerisch 77.292.584 Feinunzen, das sind 2.404 Tonnen Gold.

Die globale Minenförderung von Gold betrug aber 2023 lediglich ca. 3.000 Tonnen. Das heißt, wenn alle deutschen Sparer tatsächlich den Rat beherzigen, ein kleines bisschen in Gold zu investieren, würden sie fast die gesamte Minenförderung eines Jahres für sich allein beanspruchen. Was die Sparer der anderen wohlhabenden Staaten dazu sagen, kann man sich denken. Dieser Rat ist folglich absolut unrealistisch.

Stephan Radomsky beklagt die Niedrigzinsen auf Spar- und Tagesgeldkonten, rät aber dazu, auf volatiles Gold zu setzen, für dessen physische Aufbewahrung auch noch Kosten anfallen. Ob das klug ist? Zwar gibt es börsengehandelte Wertpapiere, die auf Gold beruhen, aber gerade in Krisenzeiten hält man die Absicherung in Form von Gold gern auch physisch in Händen anstatt bloß einen juristischen Anspruch darauf zu haben, der aber möglicherweise faktisch gar nicht durchsetzbar ist. Davon, auf Gold zu setzen, halte ich deshalb herzlich wenig.

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[1] Süddeutsche vom 05.02.2025 (Paywall)