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09. Februar 2025, von Michael Schöfer
Staatsstreich von innen gefährdet die nationale Sicherheit


Donald Trump und Elon Musk gefährden die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten. Presseberichten zufolge hat man der ganzen Belegschaft der Central Intelligence Agency (CIA) eine Abfindung angeboten, wenn Mitarbeiter ihr Arbeitsverhältnis kündigen. Insgesamt wurden 2,3 Millionen Bundesbedienstete aufgefordert, gegen Zahlung einer Abfindung bis zum 6. Februar zu kündigen. Außerdem müssen Beamte der Justiz und des FBI Untersuchungen und ggf. ihre Entlassung befürchten, bloß weil sie gemäß der Gesetze bzw. der Verfassung ihren Job getan haben und vor der Amtseinführung im Zusammenhang mit Strafverfahren gegen Donald Trump oder gegen Trump-Anhänger wegen des Sturms auf das Kapitol ermittelten.

Man stelle sich die Wirkung auf die Justiz und die Ermittlungsbehörden vor: Das wird alle, selbst die, die nicht direkt davon betroffen sind, kaum unbeeindruckt lassen. Werden Beamte noch sorgfältig ihren Job machen, wenn sie Angst vor möglichen Konsequenzen haben müssen? Darunter wird die Qualität ihrer Arbeit bestimmt massiv leiden. Das Gleiche bei der CIA. Unabhängig davon, wie man zum umstrittenen Auslandsgeheimdienst steht, das wird der Sicherheit der USA enorm schaden, denn wer ersetzt die in vielen Dienstjahren erworbene Expertise derjenigen, die nun gehen müssen? Gegenüber Donald Trump loyale, aber faktisch inkompetente, weil unerfahrene Bedienstete? Russische und chinesische Gegenspieler können ihr Glück vermutlich kaum fassen.

Was wir derzeit erleben, ist die Gleichschaltung der Bundesbehörden durch das von Elon Musk geleitete Department of Government Efficiency (DOGE). Man könnte es auch als Staatsstreich von innen bezeichnen. Ein Werk der Zerstörung, aber wohl keine "schöpferische Zerstörung" im Sinne Joseph Schumpeters. Kündigungen anzubieten wurde zwar von Bundesrichtern vorläufig gestoppt, doch wer sich am Ende durchsetzt, ist fraglich. Stellt sich der mehrheitlich erzkonservative Supreme Court auf die Seite von Donald Trump oder auf die Seite der Verfassung? Schwer zu prognostizieren. Auch das Urteil des Obersten Gerichtshofs zur Immunität von US-Präsidenten vom 1. Juli 2024 sollte man stets im Hinterkopf behalten. Der Präsident genießt bei allen offiziellen Amtshandlungen absolute Immunität, urteilten die Richter in einem aufsehenerregenden Grundsatzurteil und haben damit der Diktatur eines Einzelnen Tür und Tor geöffnet. Die Gewaltenteilung, das System der gegenseitigen Kontrolle von Regierung, Parlament und Justiz (Checks and Balances), wurde dadurch nachhaltig beschädigt. Verstößt ein Präsident gegen Gesetze, hat er nichts zu befürchten.

Welch exquisites Geschäftsmodell: Donald Trump kann Elon Musk für alle illegalen Handlungen bei dessen rigidem Vorgehen gegen Bundesbedienstete begnadigen, er selbst genießt weitgehende Immunität. Trump könnte im Weißen Haus gewissermaßen als Pate einer libertären Milliardärs-Mafia auftreten, gegen die die Justiz völlig machtlos wäre. Ihn selbst kann man nicht belangen, seine Mittäter begnadigt er. Wenn das Al Capone geahnt hätte… Der Kongress könnte natürlich theoretisch ein Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) einleiten, wird aber seit den Wahlen im November von der Republikanischen Partei dominiert. So wie es derzeit aussieht, werden die anscheinend willfährigen Abgeordneten des Repräsentantenhauses und die Mitglieder des Senats keinen Finger rühren, um Donald Trump in den Arm zu fallen. Von daher ist seitens der Legislative keinerlei Schutz gegen dieses Wahnsystem der absoluten Disruption zu erwarten.

Ob zu guter Letzt die Wählerinnen und Wähler aufwachen und der Grand Old Party bei den Zwischenwahlen eine Abfuhr erteilen, steht in den Sternen. Falls es überhaupt noch einmal freie und faire Wahlen geben sollte, hat Donald Trump immerhin zwei Jahre Zeit, wie ein Berserker nahezu ungehindert sein Werk zu verrichten, denn die Midterms finden erst im November 2026 statt. Trump ist gerade einmal drei Wochen im Amt, hat aber schon reichlich Chaos verursacht, doch wir dürfen uns, falls bis zur nächsten Präsidentschaftswahl nichts Unvorhergesehenes passiert, auf weitere 205 äußerst vergnügliche Wochen freuen. (Achtung: Ironie!) Es scheint jedenfalls vieles von dem, wovor man vor der Wahl gewarnt hat, einzutreten.

Wenigstens eine Hoffnung gibt es: William McKinley (1843 - 1901) ist ja wegen seiner rigiden Zoll-Politik das große Vorbild von Donald Trump, doch er hat vielleicht nicht die ganze Geschichte von McKinley gelesen (Trump sieht bekanntlich lieber fern). Die NZZ schreibt über ihn, dass er sich in seiner Zeit als Kongressabgeordneter für hohe Zölle (McKinley Tariff) einsetzte, die dann im Schnitt 49,5 Prozent betrugen. "Doch die Folge waren höhere Preise, vor allem die Bauern und die ländliche Bevölkerung litten darunter. Bei den einen Monat später stattfindenden Zwischenwahlen erhielten die Republikaner die Rechnung. McKinley verlor seinen Sitz und mit ihm die Hälfte aller Republikaner. Die Zölle waren verhasst bei der Bevölkerung." [1] Und in der Tat: 1890 kam es bei der Wahl zum Repräsentantenhaus zu einem Erdrutschsieg der Demokraten, die 86 Sitze hinzugewannen, während die Republikaner 93 Sitze und damit die Mehrheit im House verloren. Donald Trump könnte es genauso ergehen. Wenn die Bürger die negativen Auswirkungen von Trumps Politik am eigenen Leib zu spüren bekommen, schwingt das Pendel womöglich wieder zurück. Falls es bis dahin nicht zu spät ist.

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[1] Neue Zürcher Zeitung vom 25.01.2025

Nachtrag (17.02.2025):
Denn sie wissen nicht, was sie tun! Die Mitarbeiter von DOGE haben Medienberichten zufolge Hunderte Beschäftigte der NNSA (Nationale Behörde für Nukleare Sicherheit) entlassen, die u.a. für die Wartung und für die Sicherheit der amerikanischen Nuklearsprengköpfe zuständig sind und den Bau neuer Nuklearwaffen beaufsichtigen. [2] Offenbar hat sich das von Elon Musk geleitete Department of Government Efficiency gar nicht erst mit der Frage belastet, was die entlassenen Beschäftigten tun und ob man diese aufgrund ihrer Expertise braucht. Es muss ihnen aber irgendjemand gesagt haben, denn am Tag darauf wurden die Kündigungen wieder zurückgenommen. Meine Schlagzeile ("Staatsstreich von innen gefährdet die nationale Sicherheit") bewahrheitet sich schneller als erwartet.

[2] Golem vom 15.02.2025