Home | Archiv | Impressum



25. März 2025, von Michael Schöfer
Merz' Glaubwürdigkeit ist zu Recht im Keller

In der Politik wird bekanntlich oft gepokert, aber das kann wie beim Kartenspiel furchtbar schiefgehen. Verzockt hat sich etwa Friedrich Merz mit der im Wahlkampf von ihm wie ein Mantra vor sich hergetragenen Ablehnung einer Reform der Schuldenbremse. Zwar hat er mit diesem Wahlbetrug die Bundestagswahl gewonnen, doch seine Glaubwürdigkeit ist jetzt im Keller, die unmittelbar nach der Wahl vorgenommene Wende um 180-Grad kommt weder bei Freund noch Feind gut an. Aber anscheinend kann die Union gar nicht anders, denn sie versucht auch bei den Koalitionsverhandlungen zu bluffen. Und die Presse macht bereitwillig mit. Allerdings ist das dilettantische Vorgehen leicht zu durchschauen.

Weil Friedrich Merz in puncto Schuldenbremse sein Wahlversprechen gebrochen hat, müsse ihm die SPD in puncto Zuwanderung entgegenkommen, heißt es jetzt. "Die SPD könnte Merz nun auflaufen lassen. Er ist es ja, der Kanzler werden will und schwer oder nicht zu haltende Versprechen gemacht hat. Wer aber in diesen Verhandlungen zu sehr versucht, die vermeintliche eigene Stärke auszuspielen, gefährdet die Demokratie. Das wäre unverzeihlich", kommentiert Daniel Brössler in der Süddeutschen. [1] Doch was heißt das konkret? Soll die SPD etwa den europarechtswidrigen Vorstellungen von Merz über die Zurückweisung von Migranten an den Grenzen zustimmen, weil andernfalls die Demokratie gefährdet wäre? Das ist Unfug.

Außerdem ist das Ganze eine krude Verdrehung der Tatsachen. Es ist echt dreist von der Union zu behaupten, man sei der SPD mit der Reform der Schuldenbremse entgegengekommen. Wahr ist vielmehr, dass der unaufrichtige Kanzler-Azubi ohne die Reform große Finanzierungsprobleme gehabt hätte. Er wäre nämlich an der Quadratur des Kreises (höhere Verteidigungsausgaben, mehr Investitionen, Steuersenkungen für Unternehmen und Bürger, Einhaltung der Schuldenbremse) definitiv gescheitert, der lauthals propagierte Politikwechsel also gleich zu Beginn versandet. Die SPD und vor allem die Grünen haben Friedrich Merz aus der selbstgegrabenen Fallgrube befreit. Und das aus staatspolitischer Verantwortung dem Land gegenüber. Merz hätte daher allen Grund, ihnen dankbar zu sein, nicht umgekehrt.

Die Verdrehung der Wahrheit durch die Union nimmt offenbar kein Ende. Wird bestimmt eine tolle Regierungszeit. Ich freue mich schon darauf.

----------

[1] Süddeutsche vom 23.03.2025 (Paywall)