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04. April 2025, von Michael Schöfer
Geschichte wiederholt sich doch


Allen Unkenrufen zum Trotz scheint sich Geschichte doch zu wiederholen. Und leider nicht nur als Farce, wie ein gewisser Karl Marx behauptete. Wenn der Trottel im Weißen Haus wenigstens zur Erheiterung beitragen würde, aber über ihn kann spätestens seit seiner Amtsübernahme am 20. Januar niemand mehr lachen. Das, was er im Wahlkampf angekündigt hat, war nämlich keineswegs bloß Wahlkampfgetöse, wie uns abwiegelnde Beobachter glauben machen wollten, er meint es tatsächlich ernst. Todernst. Trump arbeitet seine unheilvolle Agenda peu à peu ab und lässt sich dabei auch nicht von guten Argumenten aus dem Konzept bringen. Und so scheint die Geschichte eben abermals ihren Lauf zu nehmen.

Was hatten wir zu Beginn des 20. Jahrhunderts? Einen Weltkrieg (1914-1918), eine Pandemie (Spanische Grippe), eine schwerwiegende globale Wirtschaftskrise (Börsencrash 1929) und den Aufstieg rechtsextremer Parteien (Partito Nazionale Fascista, NSDAP). Bekanntlich ist das Ganze dann in einen weiteren Weltkrieg und den Holocaust gemündet.

Was haben wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts? Eine globale Finanzkrise (2007/2008), eine Pandemie (SARS-CoV-2) und die Rückkehr rechtsextremer Parteien. Aus dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und den Spannungen um Taiwan könnte sich durchaus ein dritter Weltkrieg entwickeln.

Fatal wird sich zweifellos die völlig unberechenbare und disruptive Trump-Regierung in den USA auswirken, die durch die Einführung von Strafzöllen den wirtschaftspolitischen Fehler, der in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts zur Großen Depression führte, unbeirrt zu wiederholen scheint. Angesichts dessen muss man leider konstatieren: Nichts aus der Geschichte gelernt.

Die Annahme ist falsch, die damalige Weltwirtschaftskrise sei unmittelbar nach dem Schwarzen Freitag, dem Börsencrash an der Wall Street vom 25. Oktober 1929, gleich mit voller Wucht ausgebrochen. Vorübergehend gab es sogar Zeichen der Erholung, die Aktienkurse stiegen wieder. Eine Verkettung von unglücklichen Umständen löste allerdings einen fatalen Domino-Effekt aus. "Die Einführung von Schutzzöllen war ursprünglich ein Versprechen gewesen, das Herbert Hoover im Präsidentschaftswahlkampf von 1929 abgegeben hatte, um die Lage der amerikanischen Landwirte zu verbessern. (...) Doch im Verlauf der Debatte im Kongress versuchte jeder Abgeordnete neue Artikel einzubringen (allein der Senat stellte 1253 Änderungsanträge). Das Ergebnis - ein Zolltarif mit 21000 Tarifpositionen - war extremer Protektionismus." [1]


Die Strafzölle verstärkten die Auswirkungen des Börsencrashs am Schwarzen Freitag
[Quelle: Federal Reserve Bank of St. Louis]

 
"Die USA betrieben mit dem Fordney-McCumber Tarif von 1922 und dem Smoot-Hawley-Tarif von 1930 eine Politik des 'America first', die schließlich auch für andere Staaten eine protektionistische Signalwirkung hatten. Ähnlich verhielt sich Großbritannien seit der Rezession der Jahre 1920/21 - getreu dem Motto 'Britain first, Empire second, foreigners last' – und das nach acht Jahrzehnten des Freihandels." [2] Zwar streiten die Gelehrten darüber, ob der Protektionismus die alleinige Schuld an der Verschärfung der Wirtschaftskrise im Nachgang des Börsenkrachs von 1929 trägt, doch hat er die ohnehin prekäre Lage definitiv eskalieren lassen. Bis der monatliche Börsenkursindex des Dow Jones wieder sein Vorkrisen-Niveau erreichte, vergingen 25 Jahre (von 1929 bis 1954).


Der Dow Jones erreichte erst Mitte der fünfziger Jahre wieder das Niveau von 1929
[Quelle: Federal Reserve Bank of St. Louis]


Die Folgen sind hinlänglich bekannt: "Das Bruttoinlandsprodukt [der USA] war im Jahr 1933 ungefähr ein Drittel niedriger als 1929. Erst 1937 erreichte es wieder den Stand von 1929, fiel dann aber sofort wieder. Bis 1941 blieb dann der Dollar-Wert des Produktionsvolumens unter dem Stand von 1929. Nur einmal zwischen 1930 und 1940, nämlich 1937, ging die Arbeitslosenquote auf unter acht Millionen zurück. Fast 13 Millionen Menschen hatten im Jahr 1933 keine Arbeit, jeder vierte Amerikaner war arbeitslos. 1938 war immer noch eine von fünf Personen ohne Arbeit." [3]


Die lang anhaltende Wirtschaftskrise nach dem Börsencrash von 1929, erst nach Beginn
des Zweiten Weltkriegs erreichte das BIP wieder das Vorkrisenniveau.
 
Noch ist die Lage nicht so desaströs wie damals, aber Donald Trump hat mit seinen Strafzöllen dafür vielleicht gerade den Auftakt geliefert. Ein Schritt mit globalen Auswirkungen. Auch das wie einst. Was sich in den USA abspielt, ist eine Tragödie: Die Demokratie ist massiv bedroht, die Wissenschaft wird angegriffen, die staatlichen Institutionen werden mit der Kettensäge traktiert. Und nun kommt vielleicht noch eine durch die Trump-Regierung ausgelöste globale und tiefgreifende Wirtschaftskrise hinzu. Great Depression 2.0? Hoffentlich nicht, aber das - laut eigener Aussage - "stabile Genie" im Oval Office tut wirklich alles dafür, dass sie kommt. Die Folgen könnten ähnlich sein.

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[1] Harold James, Der Rückfall, München 2005, Seite 59
[2] Christian Kleinschmidt: Rezension zu: James, Harold (Hrsg.): The Interwar Depression in an International Context. München 2002. In: H-Soz-u-Kult, 29.10.2002
[3] John Kenneth Galbraith, Der große Crash 1929, Seite 207