Home | Archiv | Impressum



04. Mai 2025, von Michael Schöfer
Die segensreiche Wirkung des Trump-Effekts


Donald Trump ist ein Wunderheiler, denn er könnte uns von der Krankheit des Rechtspopulismus erlösen. Ungewollt zwar, aber immerhin. Beispiel Kanada: In den Meinungsumfragen lag der konservative Parteivorsitzende Pierre Poilievre lange Zeit deutlich vor dem damaligen Premierminister Justin Trudeau, doch das änderte sich nach der Amtsübernahme von Donald Trump in den USA abrupt. Mark Carney, der erst im März 2025 Trudeaus Nachfolger wurde, gewann Ende April überraschend die kanadische Unterhauswahl. Poilievre verlor dabei sogar seinen Wahlkreis in Carleton/Ontario (in Kanada gilt wie in Großbritannien ein reines Mehrheitswahlrecht). Er kann sich bei Donald Trump bedanken, der mit seiner erratischen Zollpolitik, dem autokratischen Gebaren und vor allem dem Ansinnen, Kanada zum 51. US-Bundesstaat zu machen, Carneys bester Wahlhelfer war. Elbows up!

In Australien passierte genau das Gleiche: Premierminister Anthony Albanese von der Australian Labor Party gewann gestern die Parlamentswahlen haushoch vor dem Trump-Verschnitt Peter Dutton von der konservativen Liberal Party. Albanese ist seit 20 Jahren der erste australische Premierminister, dem durch das Wahlvolk eine zweite Amtszeit vergönnt ist. Lange Zeit sah es allerdings anders aus, erst im März 2025 drehte sich der Wind und Labor bekam in den Umfragen wieder eine Mehrheit. Zweifellos die segensreiche Wirkung des Trump-Effekts. Die Stimmen sind bereits zu 97,65 Prozent ausgezählt (Stand: 07:00 MESZ) und deshalb ist jetzt auch klar, dass der australische Oppositionsführer - wie dessen kanadisches Pendant - seinen Wahlkreis in Dickson/Queensland verloren hat, Alison France von Labor liegt dort uneinholbar mit 56,71 Prozent in Führung. Es ist übrigens seit 2007 das erste Mal, dass ein australischer Parteivorsitzender den Parlamentssitz einbüßte (in Australien gilt ebenfalls nach britischem Vorbild das Mehrheitswahlrecht). Im Wahlkampf spielte neben sozialen Themen Trumps aggressive Zollpolitik die dominierende Rolle. Der US-Präsident entpuppte sich als Albaneses bester Wahlhelfer.

Donald Trumps heilsame Wirkung ist leider noch begrenzt, bei den britischen Kommunalwahlen sowie einer Unterhaus-Nachwahl feierte die Reform UK des Trump-Freunds Nigel Farage gerade große Erfolge. Und auch in Deutschland bleibt abzuwarten, ob die AfD trotz ihrer Einstufung als "gesichert rechtsextremistisch" an Wählerzuspruch verliert. Anscheinend ist der Abschreckungseffekt von Donald Trump in Großbritannien und Deutschland noch nicht groß genug, aber er ist ja auch erst gut drei Monate im Amt. "Mehr Trump wagen" könnte bei uns rasch an Anziehungskraft verlieren, die kanadischen und australischen Wähler sind jedenfalls binnen kurzem klüger geworden.

Wenig verwunderlich, denn Trump muss schon nach 100 Tagen Amtszeit Durchhalteparolen verkünden. Im 1. Quartal 2025 ist das Bruttoinlandsprodukt in den USA um 0,3 Prozent geschrumpft, dessen ungeachtet verkündet er weiterhin die Mär vom "goldenen Zeitalter" Amerikas: "Wenn der Boom beginnt, wird er beispiellos sein. Habt Geduld!!!" [1] "Ich denke, wir werden den größten Wirtschaftsboom in der Geschichte erleben." [2] Schuld am Einbruch der Wirtschaft ist natürlich nicht er, sondern angeblich sein Vorgänger Joe Biden, dessen Bilanz im 4. Quartal 2024 allerdings mit einem Plus von 2,4 Prozent deutlich besser ausfiel. Das sei ein einmaliger Effekt, beteuert Trump, die positiven Effekte würden sich erst noch zeigen, die Zölle hätten ihre Wirkung noch nicht entfaltet. Experten sehen das freilich anders, die negativen Folgen der chaotischen Politik des 47. US-Präsidenten würde sich erst im laufenden Jahr richtig zeigen.

Das Selbstlob der Regierung und die peinlichen Schmeicheleien der Kabinettsmitglieder vor laufender Kamera tun ihr Übriges zum negativen Gesamteindruck: "Es ist mir eine Ehre, Ihnen dabei zu helfen, das Versprechen an das amerikanische Volk in Bezug auf Sicherheit und Freiheit einzulösen." (Tulsi Gabbard, Geheimdienstchefin) "Es ist mir eine Ehre, Ihnen zu dienen." (Linda McMahon, Bildungsministerin) "Sie, Mr. President, haben alles verändert." (Kristi Noem, Innenministerin) "Danke, Mr. President. Wir setzen alles um, was Sie uns gesagt haben. Wir tun alles in unserer Macht Stehende, um Amerika gemäß Ihren Anweisungen sicher zu halten." (Pam Bondi, Justizministerin) [3] Klingt fast wie nordkoreanische Parteipropaganda und könnte als Satire durchgehen, ist aber leider bittere Realität - ein inkompetenter US-Präsident und ein Kabinett voller Speichellecker. Widerlich!

Donald Trump wird sicherlich noch viel zerstören, schließlich ist er noch 1.357 Tage im Amt. Wir dürfen live miterleben, wie ein Mann sein Land zugrunde richtet. Und den Westen vielleicht gleich mit. Aber wenn Trumps zweite Amtszeit irgendetwas Gutes hat, dann hoffentlich ihre heilsame Wirkung auf die Wählerinnen und Wähler. Und das nicht bloß in den USA. Wunderheiler Trump könnte uns tatsächlich vom Rechtspopulismus erlösen, weil selbst seine verbohrtesten Anhänger irgendwann aufwachen. Aufwachen müssen! Auch hartgesottene Republikaner werden nämlich nachdenklich, wenn sich die Inflation beschleunigt, die Wirtschaft einbricht und ihre private (in Wertpapieren angelegte) Altersvorsorge allmählich zusammenschmilzt. Zumindest hoffe ich das, denn so blöd können eigentlich nicht einmal Hillbillies sein.

----------

[1] ORF vom 30.04.2025
[2] tagesschau.de vom 03.05.2025
[3] Handelsblatt vom 30.04.2025