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| Archiv | Impressum 06. Mai 2025, von Michael Schöfer Es ist die Ungleichheit Bei Umfrageergebnissen muss man zuweilen kräftig schlucken, aktuell zum Beispiel in der Rubrik "Die beliebtesten Politiker und politischen Persönlichkeiten" Großbritanniens. Dem Meinungsforschungsinstitut YouGov zufolge steht nämlich der rechtspopulistische Politiker Nigel Farage von Reform UK mit 36 Prozent auf Platz 2 der Rangliste. Der britische Premierminister Keir Starmer kommt mit 22 Prozent bloß auf Platz 19 und steht damit hinter seinen unmittelbaren Vorgängern Boris Johnson (Platz 4), Theresa May (Platz 10) und Rishi Sunak (Platz 11). Lediglich der tragisch agierende Brexit-Hauptverantwortliche David Cameron (Platz 24) und die kläglich gescheiterte Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss (Platz 72) sind noch viel unbeliebter als der jetzige Hausherr von 10 Downing Street. Oppositionsführerin Kemi Badenoch, seit November 2024 die neue Parteivorsitzende der Konservativen, ist genauso unbeliebt wie Starmer (22 %, Platz 18). Für die Etablierten ein Desaster. Das britische Mehrheitswahlrecht begünstigt normalerweise die beiden großen Parteien (Labour Party und Conservative Party aka Tories), kleinere haben es oft schwer, überhaupt ein Parlamentsmandat zu erringen. Außer den Liberaldemokraten haben im Grunde fast nur Regionalparteien in Schottland, Wales und Nordirland Chancen, Wahlkreise zu gewinnen. Und neuerdings die erst 2019 gegründete Reform UK von Nigel Farage. 2024 bekam sie erstmals fünf Unterhausmandate, und bei einer Nachwahl am 1. Mai 2025 konnte ihre Kandidatin Sarah Pochin auch den Wahlkreis Runcorn and Helsby gewinnen - mit ganzen sechs Stimmen Vorsprung. Bei der gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahl in 24 Gebietskörperschaften erreichte Reform UK einen überwältigenden Sieg, die Partei gewann 677 Sitze hinzu. Wären jetzt Unterhauswahlen, könnte Nigel Farage Premierminister werden, das Mehrheitswahlrecht (Prinzip: "the Winner takes all") macht solche drastischen Umschwünge möglich. Warum ist Trump-Freund Nigel Farage so erfolgreich, warum hat ihm die chaotische Politik des US-Präsidenten - anders als den Trump-Freunden in Kanada und Australien - nicht geschadet? Natürlich kann ein Aspekt nicht alles erklären, aber wenn man sich auf die Suche nach einer rationalen Erklärung macht, darf man die Zahlen des britischen Office for National Statistics [Excel-Datei mit 10 KB] nicht übersehen. Als Maggie Thatcher 1979 in Großbritannien Premierministerin wurde, lag der Gini-Koeffizient des verfügbaren Einkommens der britischen Privathaushalte bei 25,4, im vergangenen Jahr waren es 32,9 (Hinweis: Je höher, desto ungleicher ist das Einkommen verteilt). 1986 stieg er über die 30er-Schwelle und ist seitdem nie wieder darunter gesunken, daran haben auch die Labour-Regierungen von Tony Blair und Gordon Brown (1997 bis 2010) nichts geändert. Im Gegenteil, die Einkommensungleichheit in Großbritannien war unter Labour im Schnitt größer als unter der neoliberalen "Eisernen Lady". Das muss man als "Arbeiterpartei" erst einmal hinbekommen. 2008 unter Gordon Brown erreichte die Einkommensungleichheit sogar den höchsten Wert überhaupt (vgl. nachfolgende Grafik und Tabelle). Was passiert zurzeit? Keir Starmer kürzt im Sozialbereich! Die Hoffnungen der Labour-Wähler zerplatzen gerade wie Seifenblasen. ![]() Die Ungleichheit wuchs unter Maggie Thatcher und ist danach nie wieder entscheidend gesunken
am 6. April des laufenden Jahres und endet am 5. April des folgenden Jahres.) Wahrscheinlich haben die Wählerinnen und Wähler das offenkundig nicht unberechtigte Gefühl, von den Tories und von Labour mit ihren Sorgen alleingelassen zu werden. Anders kann ich mir den Erfolg von so dubiosen Figuren wie Nigel Farage nicht erklären. |