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24. Mai 2025, von Michael Schöfer
Bei Obama hätten sie "Sozialismus" und "Planwirtschaft" gerufen


Washington Post-Eigentümer Jeff Bezos machte kürzlich seinem Blatt inhaltliche Vorgaben: "Wir werden jeden Tag schreiben, um zwei Säulen zu unterstützen und zu verteidigen: persönliche Freiheiten und freie Märkte. Natürlich werden wir auch andere Themen behandeln, aber gegensätzliche Standpunkte überlassen wir der Veröffentlichung durch andere. (…) Ich bin überzeugt, dass freie Märkte und persönliche Freiheiten das Richtige für Amerika sind. Ich glaube auch, dass diese Gesichtspunkte auf dem derzeitigen Markt der Ideen und Nachrichtenmeinungen nicht ausreichend berücksichtigt werden" [1] Als der Multimilliardär 2013 die renommierte Traditionszeitung (gegründet 1877) für 250 Millionen Dollar kaufte, versprach er noch: "'Die Werte der 'Post' brauchen keine Veränderung. Die Zeitung wird ihren Lesern verpflichtet bleiben und nicht den Privatinteressen ihrer Besitzer' und er 'habe nicht vor, ins Tagesgeschäft einzugreifen'." [2] Jetzt mischt er sich doch ein, mutmaßlich motiviert durch seine neugewonnene Nähe zu US-Präsident Donald Trump.

Dabei müsste sich die Washington Post nun verstärkt gegen den 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten wenden, weil dessen Zollpolitik den freien Märkten diametral widerspricht. Donald Trump will nämlich den iPhone-Hersteller Apple zwingen, seine Smartphones in den USA herzustellen und droht dem Tech-Giganten öffentlich mit einem 25-prozentigen Strafzoll auf iPhones. "Das kündigte er (...) für den Fall an, dass das Unternehmen nicht seine gesamte US-iPhone-Produktion aus Indien in die USA verlagert. Diese Zölle müsste Apple bei der Einfuhr der Geräte in die USA an den Staat zahlen." [3] Ein Staats- und Regierungschef, der einem der größten Unternehmen der Welt vorschreiben möchte, wo es zu produzieren hat? Was hat das mit freien Märkten zu tun? Normalerweise kennt man so etwas bloß von autoritären Staaten.

Doch es ist unwahrscheinlich, dass Apple dem Wunsch nachkommt, weil die Produktion in den USA den Verkaufspreis des iPhones drastisch erhöhen würde. Sie rechnet sich für Apple nicht. Schon allein die Lieferkette umzustellen, wäre eine fast kaum zu bewältigende Herausforderung. "Apples Lieferkette ist insgesamt auf über 50 Länder verteilt, viele Materialien stammen aus 79 Staaten. Selbst wenn nur die Endmontage in den USA stattfände, wären Löhne und Lebenshaltungskosten deutlich höher." [4] In den USA müssten die Zulieferer erst aufgebaut werden, außerdem fehlen die für die Produktion notwendigen Fachkräfte. Kurz- und mittelfristig nicht zu machen, die Umstellung würde zwischen fünf und zehn Jahren dauern, sagen Analysten. "Die Vorstellung, 'dass Apple iPhones in den USA produziert, ist ein Märchen, das nicht umsetzbar ist'." Das US-Finanzdienstleistungsunternehmen "Wedbush schätzt, dass in Amerika hergestellte iPhones 3.500 Dollar kosten würden." [5]

Da
sich der Zoll nach dem Einfuhrpreis bemisst und nicht nach dem viel höheren Verkaufspreis, dürfte Apple eine andere Strategie verfolgen. Ein Beispiel: Das iPhone 16 Pro mit 256GB kostet den ausländischen Auftragshersteller 550 US-Dollar, inklusive Montage und Tests bekommt Apple dafür rund 580 US-Dollar in Rechnung gestellt. [6] Bei einem Einfuhrzoll von 25 Prozent kommen also 145 Dollar obendrauf = 725 Dollar. Das Telefon kostet derzeit in den USA 1.100 Dollar. Will Apple seine üppige Marge von fast 50 Prozent behalten, würde sich das Smartphone zwar auf 1.245 Dollar verteuern (ein Plus von 13,2 %), was aber noch immer deutlich unter den prohibitiv wirkenden 3.500 Dollar eines iPhones "Made in USA" liegt. Würde Apple sogar seine Marge etwas verringern und sich den Einfuhrzoll mit seinen Kunden teilen, müssten diese im Laden bloß 1.173 Dollar bezahlen. Apple bliebe weiterhin im Geschäft. Jedenfalls solange Donald Trump den Zoll nicht wieder auf horrende 145 Prozent anhebt, der US-Präsident ist schließlich völlig unberechenbar und folgt bei seiner kruden Wirtschaftspolitik keiner rational nachvollziehbaren Logik. 145 Prozent wären natürlich nicht mehr zu kompensieren, bei diesem Zoll müsste Apple für die Einfuhr 1.421 Dollar berappen.

Es sind merkwürdige Zeiten angebrochen. Ein Multimilliardär und Zeitungsbesitzer ist angeblich von freien Märkten überzeugt, unterstützt aber einen Präsidenten, der faktisch genau das Gegenteil tut. Hätte Barack Obama Apple so unter Druck gesetzt, hätten die Republikaner gewiss erzürnt "Sozialismus" und "Planwirtschaft" gerufen. Und die Washington Post vielleicht gleich mit. Höchstwahrscheinlich hätten die Republikaner sogar mit einer Klage vor dem Supreme Court gedroht, denn daran, ob Sonderzölle für eine einzelne Firma überhaupt zulässig sind, gibt es ernstzunehmende Zweifel. Aber Donald Trump liegen sie zu Füßen. Total irre. Ich fürchte, es muss ökonomisch erst einen gewaltigen Knall geben, bevor seine Anhänger endlich aufwachen.

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[1] Der Standard vom 26.02.2025
[2] Wikipedia, The Washington Post
[3] heise.de vom 23.05.2025
[4] itopnews vom 09.04.2025
[5] Investopedia vom 23.05.2025
[6] Wall Street Journal vom 05.04.2025