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03. Juni 2025, von Michael Schöfer
Ganz schwierige Kiste für Polizisten


"Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen", sagt der Volksmund. Wenn ein Gericht die von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) vorgegebene Praxis, Asylsuchende an den deutschen Grenzen zurückzuweisen, als rechtswidrig bezeichnet, kommen die ausführenden Polizeibeamten der Bundespolizei unbestreitbar in eine Zwickmühle. "Beamtinnen und Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung", legt § 63 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz fest. Kann dann der zurückweisende Bundespolizist strafrechtlich belangt werden? Grundsätzlich ja. Es sei denn, er macht von seiner Remonstrationspflicht Gebrauch. Wobei auch das mit einer Unsicherheit behaftet ist.

§ 63 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz sagt nämlich: "Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich bei der oder dem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, haben sie sich, wenn ihre Bedenken gegen deren Rechtmäßigkeit fortbestehen, an die nächsthöhere Vorgesetzte oder den nächsthöheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit. Dies gilt nicht, wenn das aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für die Beamtinnen und Beamten erkennbar ist. Die Bestätigung hat auf Verlangen schriftlich zu erfolgen."

Können Bundespolizisten das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin, das die Zurückweisung von Asylsuchenden als rechtswidrig bezeichnet, einfach ignorieren? Sicherlich nicht. Dürfen sie der Behauptung des Bundesinnenministers, dies sei bloß eine nicht weiter bindende Einzelfallentscheidung, Glauben schenken? Das wäre ziemlich heikel, denn so ein Verhalten könnte vor Gericht nach hinten losgehen, selbst wenn die Bundespolizisten von ihrer Remonstrationspflicht Gebrauch machen. Am Ende ist es ja oft so: Die Politiker waschen ihre Hände in Unschuld - und im Zweifelsfall wird ein anderer als Bauernopfer auserkoren. Das schwächste Glied in der Kette ist bekanntlich der Beamte vor Ort. Alexander Dobrindt (CSU) hat schon einmal jegliche Schuld zurückgewiesen, obgleich er mehrfach vorgewarnt war. Damals ging es um die Pkw-Maut, heute geht es jedoch um Menschen. Als Polizeibeamter würde ich mir darüber jedenfalls Gedanken machen.

Wer als oberster Vorgesetzter seine Beamten aus politischen Gründen derart in die Zwickmühle bringt, handelt ihnen gegenüber absolut unverantwortlich. Alexander Dobrindt kommt seiner Fürsorgepflicht nicht nach. Und auch darüber würde ich mir als Polizeibeamter meine Gedanken machen.