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03. Juli 2025, von Michael Schöfer
Dobrindt will mit Terroristen verhandeln


Als der damalige SPD-Vorsitzende Kurt Beck im Jahr 2007 Verhandlungen mit den "gemäßigten Taliban" forderte, wurde er insbesondere von der CSU mit Hohn und Spott übergossen. Beck sei eben bloß ein "Hobby-Außenpolitiker". "Man merkt, dass Herr Beck in Mainz sitzt und sich bislang mehr um Winzer als um Weltpolitik gekümmert hat", lästerte ein gewisser Markus Söder, zu jener Zeit noch Thronprätendent in Bayern. "Wer mit Terroristen kooperieren will, macht sie nur stärker." [1] Karl-Theodor zu Guttenberg, der später über die Fußnoten in seiner Dissertation stolperte, attestierte: "Außer dem stellvertretenden Regierungssprecher und dem SPD-Chef kenne ich niemanden, der je einen 'vernünftigen Taliban' getroffen hätte." [2] Was man halt so sagt, wenn man zwar im Bund mit der SPD koaliert, die Sozis aber trotzdem gerne piesackt.

Söder und Guttenberg hatten durchaus recht, denn es gibt tatsächlich keine "gemäßigten" Taliban, wie wir heute aus leidvoller Erfahrung heraus wissen. Zur ganzen Wahrheit gehört allerdings, dass es Guttenberg 2009 als frischgebackener Bundesverteidigungsminister nicht mehr ausschloss, "unter Umständen auch mit gemäßigten Taliban zu sprechen, um die Lage in Afghanistan zu stabilisieren". [3] Er muss also zwischenzeitlich mindestens einen "vernünftigen Taliban" kennengelernt haben. Das Sein bestimmt bekanntlich das Bewusstsein (Karl Marx), und die Bundeswehr war seinerzeit in den ebenso aussichtslosen wie nie enden wollenden Krieg am Hindukusch verstrickt. So flexibel zeigte sich Alexander Dobrindt nicht, denn als Außenminister Guido Westerwelle (FDP) 2010 die "gemäßigten Taliban" mit finanziellen Anreizen vom Kämpfen abbringen wollte, grätschte ihm Dobrindt von hinten in die Waden. Das sei eine "Taliban-Abwrackprämie", ätzt der CSU-Politiker. [4]

Und jetzt? Alles Schnee von gestern. Hobby-Außenpolitiker, Verzeihung, Bundesinnenminister Alexander Dobrindt "strebt direkte Gespräche mit den radikal-islamischen Taliban in Afghanistan an, um leichter Abschiebungen von Straftätern zu erreichen". [5] Aha! Anscheinend will er nun doch mit Terroristen kooperieren. Was wohl sein Parteichef dazu sagt? Doch für eigenwillige Wege bei der Zurückdrängung von Migranten ist der Bundesinnenminister mittlerweile weithin berüchtigt, diesem Ziel ordnet er rigoros alles unter, notfalls sogar das Recht. Ob er bei seinen Gesprächen eine "Migranten-Abwrackprämie", Verzeihung, finanzielle Anreize im Gepäck hat, um den Regierenden in Kabul die Rücknahme ihrer Staatsbürger schmackhaft zu machen, wurde zwar nicht bekanntgegeben, ist aber auch nicht völlig ausgeschlossen. Die Taliban brauchen dringend Geld, und der Bundesinnenminister noch dringender Abschiebevereinbarungen. Da braucht man bloß eins und eins zusammenzuzählen.

Was lernen wir daraus? Lästere nie über andere, denn du könntest dich später in der gleichen Situation wiederfinden. Und in der Politik ist fast nichts ausgeschlossen.

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[1] Tagesspiegel vom 10.03.2009
[2] Tagesspiegel vom 14.08.2007
[3] ntv vom 20.12.2009
[4] Spiegel-Online vom 25.01.2010
[5] ntv vom 03.07.2025