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08. Juli 2025, von Michael Schöfer
Wie besänftige ich den Schulhofbully?


Der Schulhofbully hat erneut zugeschlagen: Donald Trump droht jedem Land, das die "antiamerikanische Politik" der BRICS-Staaten unterstützt, zusätzliche Zölle in Höhe von zehn Prozent an. Und sollten sich die BRICS-Staaten erdreisten, sich vom US-Dollar als internationales Zahlungsmittel abwenden, will er ihnen Zölle in Höhe von 100 Prozent auferlegen. Wobei man bei Trump gar nicht weiß, wie lange das gilt, zwei Wochen oder drei Monate, schließlich ändert er ständig seine Meinung. Es ist so verwirrend - wahrscheinlich nicht zuletzt für ihn selbst. In der Politik treiben sich ja überwiegend Juristen herum, stattdessen bräuchte man mehr Psychologen, die wären gerade im Umgang mit Donald Trump besonders nützlich.

Wie besänftige ich den Schulhofbully, vor dem alle Angst haben? Man kann es machen wie NATO-Generalsekretär Mark Rutte, der dem US-Präsidenten tief in den Allerwertesten gekrochen ist. "Es war nicht einfach, aber wir haben sie alle dazu gebracht, die 5-Prozent-Zusage zu unterzeichnen! Donald, Du hast uns zu einem wirklich, wirklich wichtigen Moment für Amerika, Europa und die Welt geführt. Du wirst etwas erreichen, was kein amerikanischer Präsident seit Jahrzehnten geschafft hat. Europa wird kräftig zur Kasse gebeten werden - so wie es sein sollte - und es wird dein Sieg sein", schrieb er ihm in einer Dankesnachricht. [1] Chinesischen Unterwerfungsritualen zumindest ebenbürtig. Keiner wundert sich darüber, dass Trump für solche übertriebenen Schmeicheleien empfänglich ist, für alle anderen war Ruttes Servilität jedoch ein Anlass zum Fremdschämen. Peinlich, peinlich… Der NATO-Generalsekretär hat damit seiner Reputation massiv geschadet, denn an der Spitze des Verteidigungsbündnisses will man einen Repräsentanten sehen, der seine Selbstachtung und die seiner Organisation zu bewahren weiß. Mit Ausnahme von Donald Trump natürlich, dem Speichellecker sicherlich stets willkommen sind.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu macht es wesentlich eleganter, er schmeichelt Trump mit der Botschaft, ihn für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen zu haben. Es ist schließlich kein Geheimnis, dass Donald Trump diesen Preis unbedingt bekommen möchte. Für einen Narzissten wie ihn die Anerkennung schlechthin. Was dem Ganzen obendrein Würze verleiht: Trump wird ausgerechnet von Netanjahu vorgeschlagen, gegen den ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorliegt. Und der US-Präsident selbst will aus dem Gazastreifen die "Riviera des Nahen Ostens" machen - unter Vertreibung der dort lebenden Palästinenser, was ebenfalls ein Kriegsverbrechen und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit wäre. Das dürfte die Chance, den Friedensnobelpreis tatsächlich verliehen zu bekommen, kaum erhöhen.

Wobei Netanjahu mit seinem Vorschlag das Nobelpreiskomitee in Oslo ohnehin gehörig in die Bredouille bringt, denn es kann sich schlicht und ergreifend nicht erlauben, den Friedensnobelpreis mit der Verleihung an Trump in den Augen der Weltöffentlichkeit total zu entwerten und sich dabei ebenso der Lächerlichkeit preiszugeben, wie es Mark Rutte passiert ist. In diesem Fall, prophezeien jedenfalls schon jetzt die Spötter, hätte künftig jeder Karnevalsorden einen höheren Stellenwert als die Nobelpreismedaille. Und ich weigere mich, mir vor meinem geistigen Auge die Nobelpreisrede Trumps vorzustellen: Häme gegenüber seinem Vorgänger Joe Biden, übertriebenes Eigenlob des Preisträgers, Hetze gegenüber Minderheiten garniert mit zahlreichen Lügen oder Halbwahrheiten. Typisch Trump eben. Wer könnte bei ihm eine Garantie für angemessenes Verhalten übernehmen? Niemand! Die Mitglieder des Komitees sind wirklich nicht zu beneiden. Sollte Trump erwartungsgemäß leer ausgehen, drohen ihnen vielleicht schwere Sanktionen (Besitz in den USA wird eingefroren, US-Firmen und US-Bürger dürfen keine Geschäfte mehr mit ihnen machen, Einreisesperre für die USA). Schulhofbullys sind bekanntlich schnell beleidigt und extrem rachsüchtig. Vier Richterinnen und der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs wissen genau, welche Folgen unbotmäßiges Verhalten gegenüber Seiner Majestät haben kann.

Ich persönlich bin der Meinung, man darf gar nicht erst damit anfangen, Schulhofbullys besänftigen zu wollen. Das ist kontraproduktiv und gefährlich, weil ihre Forderungen am Ende jedes vernünftige Maß übersteigen. Wer vor ihnen katzbuckelt, unterstützt bloß ihre Hybris und macht sich selbst zum Opfer. So gesehen halte ich es für klüger, wenn sich die Schwächeren zusammentun und dem Schulhofbully gemeinsam Widerstand entgegensetzen. Sobald er merkt, dass er sich nicht alles erlauben kann, lenkt er vielleicht ein. Für Mary L. Trump, Nichte des US-Präsidenten und promovierte Psychologin, ist ihr Onkel ein Soziopath. Sie schreibt in dem Buch "Zu viel und nie genug", er sei eine "Bedrohung für das Wohlergehen und die Sicherheit der ganzen Welt". Durch was sich das Ego von Donald Trump überhaupt besänftigen ließe, ist sowieso fraglich. Selbst wenn er ihn bekäme, könnte der Friedensnobelpreis dafür womöglich gar nicht ausreichen.

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[1] tagesschau.de vom 24.06.2025