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| Archiv | Impressum 28. Juli 2025, von Michael Schöfer Mehr war nicht drin? Das Zollabkommen zwischen den USA und der EU hätte man wesentlich schneller und billiger haben können. "Ach, genialer Donald, wir kapitulieren, bitte behandle uns gnädig." Und wenn ihn Olaf Scholz obendrein schon im Februar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen hätte, anstatt es Benjamin Netanjahu zu überlassen, wäre der US-Präsident uns Europäern bestimmt wohlgesonnen gewesen. Dann wäre vielleicht mehr drin gewesen. Die Einigung auf einen einseitigen (!) Basiszoll von 15 Prozent für Waren, die von der EU in die USA exportiert werden, während Warenexporte der USA in die EU künftig zollfrei bleiben, ist nur für Donald Trump ein großer Deal. Für Europa ist es eine Unterwerfung. Außerdem bleiben die zusätzliche Zölle in Höhe von 50 Prozent auf den US-Import von Stahl- und Aluminiumprodukten weiterhin in Kraft. Zu allem Überfluss hat sich die EU auch noch verpflichtet, zusätzliche Investitionen in den USA in Höhe von 600 Mrd. Dollar zu tätigen sowie von dort Energie im Wert von 750 Mrd. Dollar zu kaufen (Flüssigerdgas, Öl, Kernbrennstoffe). Für Waffenkäufe sollen ebenfalls Milliarden fließen. Wie die EU die privaten Investitionen garantieren will, schließlich haben wir keine Kommandowirtschaft, ist vollkommen schleierhaft. Unternehmen investieren nämlich nur, wenn sich eine Investition lohnt, was angesichts von Trumps erratischer Politik keineswegs sicher ist. Hinzu kommt, dass auch dies eine einseitige Angelegenheit ist, denn umkehrt verpflichten sich die USA, genau, zu nichts. Wenn ich Gefahr laufe, als Bettvorleger zu landen, brülle ich vorher nicht wie ein Tiger. Letzteres hat Ursula von der Leyen aber monatelang gemacht. Als Trump Anfang März Zölle verhängte, sagte die EU-Kommissionspräsidentin: "Wir sind bereits dabei, ein erstes Paket von Gegenmaßnahmen als Reaktion auf die Zölle auf Stahl fertigzustellen. Und wir bereiten uns jetzt auf weitere Gegenmaßnahmen vor, um unsere Interessen und unsere Unternehmen zu schützen, falls die Verhandlungen scheitern." [1] Noch Anfang Juli ließ sie verlauten: "Wir halten an unseren Prinzipien fest, wir verteidigen unsere Interessen, wir arbeiten weiter in gutem Glauben und wir bereiten uns auf alle Szenarien vor." [2] Von der Leyen suggerierte dem geneigten Publikum, auf alle Eventualitäten gut vorbereitet zu sein. Doch jetzt soll ein Basiszoll in Höhe von 15 Prozent der große Deal sein? Vor der zweiten Amtszeit von Trump wurden etwa für Autoimporte aus der EU lediglich 2,5 Prozent verlangt. Nun sind es 12,5 Prozent mehr, mithin eine Versechsfachung. Besonders prinzipientreu klingt das nicht, insbesondere wegen der deutlich erkennbaren Schieflage. Im Gegenteil, das Ganze schmeckt wie eine Niederlage. Die angeblich vorbereiteten Gegenzölle im Wert von 93 Mrd. Euro auf Harley-Davidson-Motorräder, Flugzeuge, Jeans, Whiskey oder landwirtschaftliche Produkte? Mein Gott, wo laufen sie denn? Wo laufen sie denn hin? Weg waren sie und wurden nie wieder gesehen. Digitalabgabe für amerikanische Tech-Konzerne? Stimmt, da war mal was. Gewiss, es hätte auch noch schlimmer kommen können - für die EU, aber auch für Trump. Doch was wie eine Niederlage aussieht und wie eine Niederlage riecht, ist in der Regel auch eine Niederlage. Wenn ich vor dem Schulhofbully großspurig die Backen aufblase, ohne etwas auf der Pfanne zu haben, werde ich eben abgewatscht. Genau das ist von der Leyen und der EU passiert. Was für eine Blamage! Oder spiegeln sich darin bloß die wahren Machtverhältnisse wider? Donald Trump hat zwar von Geschäften keine Ahnung, er musste im Laufe seines Lebens mehrfach Insolvenz anmelden, darunter sogar mit Spielcasinos (dabei gewinnt die Bank bekanntlich immer), aber er kann brillant bluffen. Von der Leyen kann das anscheinend nicht, im Vergleich zu Trump ist sie offenkundig eine blutige Anfängerin. Mit dem ausgehandelten Deal kann keiner der 450 Millionen EU-Bürger wirklich zufrieden sein. Und wer von so einer EU-Kommission vertreten wird, den kann man nur bemitleiden. ----------
[1]
Euronews vom 03.04.2025
[2] WirtschaftsWoche vom 09.07.2025
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