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09. September 2025, von Michael Schöfer
Volksverdummung und Wahlkampfgetöse


Die deutsche Automobilindustrie hat den Wandel zur Elektromobilität verschlafen und leidet momentan unter schlechten Verkaufszahlen in China. Die unberechenbare Zollpolitik von Donald Trump kommt da noch obendrauf. Union und FDP, die stets so tun, als hätten sie die wirtschaftspolitische Kompetenz für sich allein gepachtet, fordern die Rücknahme des europäischen Verbrenner-Verbots ab dem Jahr 2035. Wohlgemerkt, es geht beim Verbrenner-Verbot ausschließlich um Neuzulassungen, der bereits existierende Fahrzeugbestand ist davon nicht tangiert. Ob man allerdings mit einer Politik von gestern die Zukunft von morgen gestalten und mangelnde Konkurrenzfähigkeit zurückgewinnen kann, ist mehr als fraglich.

Der baden-württembergische CDU-Chef Manuel Hagel will das Verbrenner-Verbot kippen. "Es schadet der Innovation, schwächt unsere Industrie, gefährdet tausende Arbeitsplätze - und bringt unserem Klima nichts." Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Steffen Bilger, argumentiert, "Verbrennermotoren in der EU zu verbieten sei unglaubwürdig - solange deutsche Hersteller diese Modelle auch weiter in andere Länder exportieren wollten. Auch die Zulieferer bräuchten diesen Markt weiterhin." CSU-Chef Markus Söder wettert ebenfalls lautstark gegen das Verbrenner-Verbot. Ins gleiche Horn stößt, schließlich wird in Baden-Württemberg in einem halben Jahr einer neuer Landtag gewählt, der dortige FDP-Landesvorsitzende Hans-Ulrich Rülke: "Der ideologisch motivierte Kampf gegen das Auto im Allgemeinen und den Verbrenner-Motor im Besonderen kostet uns bereits heute Wohlstand, die Folgen werden noch drastischer sein." [1]

Transformationen tun immer weh, die entscheidende Frage ist freilich, wie man mit ihnen umgeht. Ganz aufhalten lässt sich der technologische Wandel nicht, dazu reicht ein Blick in die Geschichtsbücher. Die Maschinenstürmer haben verloren, das Auto hat sich gegen das Pferd durchgesetzt. Der Klimawandel wird sich genauso wenig um die Bedürfnisse der deutschen Autobauer scheren - er kommt unaufhaltsam, ob man ihn ignoriert oder nicht, man kann lediglich das Ausmaß seiner Folgen beeinflussen. Die weitere Nutzung des mit fossilen Treibstoffen betriebenen Verbrenners ist jedoch absolut kontraproduktiv und sollte daher tabu sein.

Es ist unwahrscheinlich, dass in absehbarer Zeit synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) oder Wasserstoff in ausreichendem Maße und zu akzeptablen Preisen zur Verfügung stehen. Die beste Lösung ist zweifelsohne die Elektromobilität, weil aufgrund der Umwandlungsverluste bei der Herstellung alternativer Kraftstoffe die direkte Nutzung des Stroms unerreichbar effizient ist. Rein physikalisch betrachtet, nicht ideologisch, Herr Rülke. Selbst der autofreundliche ADAC klärt auf: Mit dem Strom einer 3-MW-Windkraftanlage lassen sich 1.600 Elektroautos betreiben, aber nur 600 Wasserstoff- und bloß 250 E-Fuel-Fahrzeuge. Der Wirkungsgrad ist nämlich beim Elektroauto am höchsten. "Von der im Prozess eingesetzten Energie bleiben in der 'Well to Wheel'-Betrachtung [bei E-Fuels] am Ende nur 10 bis 15 Prozent übrig. Zum Vergleich: Im Elektroauto kommen 70 bis 80 Prozent der Ausgangsenergie am Rad an." [2]


[Quelle: cc-by-sa Heinrich-Böll-Stiftung]

Kommen wir zur Wirtschaftlichkeit für den Autofahrer: "Die Studien gehen davon aus, dass die Kosten heute bei 2,20 - 4,80 € pro Liter Kraftstoffbereitstellung und damit erheblich über den Marktpreis von ca. 0,60 bis 0,70 € pro Liter heutiger fossiler Kraftstoffe liegen. Durch die Hebung von Kostensenkungspotenziale werden für 2050 Kosten von 1,20 bis 3,60 € pro Liter angegeben. Weiterhin sind noch Steuern und Abgaben dazu zu rechnen. Die heutigen Werte dafür unterstellt, kommen dann noch einmal mit ca. 1 € pro Liter dazu. Zudem fehlen dabei noch Aufschläge für Gewinnmargen, Vertriebsausgaben sowie Forschungs- und Entwicklungskosten. In die Betrachtung ist weiterhin einzubeziehen, dass (...) das Angebot in den nächsten Jahren sehr knapp sein dürfte. Und Knappheiten führen zu höheren Marktpreisen." [3]

Doch gegen Technologieoffenheit ist im Grunde nichts einzuwenden, solange es durch die Hintertür keine Ausnahmen für Diesel und Benzin gibt. Wenn ein Autohersteller glaubt, mit E-Fuels oder mit Wasserstoff betriebene Verbrenner erfolgreich am Markt platzieren zu können - nur zu! Und wenn ein Energieunternehmen verspricht, die dafür notwendigen CO2-neutralen Kraftstoffe zur Verfügung stellen zu können, sollte man ihm keine Steine in den Weg legen. Bloß ist halt nach derzeitigem Stand nicht zu erwarten, dass daraus ein Massengeschäft wird, das der deutschen Autoindustrie hilft. Porsche-Fahrer können sich teuren E-Fuel-Sprit sicherlich leisten, der täglich pendelnde Arbeitnehmer vermutlich weniger.

Natürlich muss man sich um die unzureichende Ladeinfrastruktur kümmern, die hohen Strompreise sind ebenfalls ein wichtiger Aspekt, außerdem ist das Aufladen noch nicht so verbraucherfreundlich wie das Tanken. Was soll dieses verwirrende Dickicht von unterschiedlichen Ladekarten, Smartphone-Apps und Stromtarifen? Mit einem Verbrenner kann ich überall tanken und in bar oder bargeldlos zu einem für alle Tankstellen-Kunden einheitlichen Preis bezahlen. Vor allem müssen die Autobauer endlich gute und preiswerte Elektroautos auf den Markt bringen. Noch haben da die Chinesen die Nase vorn.

Leider erschöpft sich die Wirtschaftskompetenz von Union und FDP darin, den Menschen Sand in die Augen zu streuen. Das Verbrenner-Verbot ist "unglaubwürdig - solange deutsche Hersteller diese Modelle auch weiter in andere Länder exportieren wollen"? Steffen Bilger scheint nicht auf den eigentlich naheliegenden Gedanken gekommen zu sein, dass die deutschen Hersteller vielleicht Verbrenner weiterhin exportieren wollen, es aber womöglich wegen den gesetzlichen Vorgaben auf den Exportmärkten nicht mehr können. Wie wohl die Zukunft der deutschen Autoindustrie aussieht, wenn Verbrennerfahrzeuge auf den Absatzmärkten verboten werden? Dann sitzt sie mit den unverkäuflichen, weil total veralteten Autos endgültig in der Falle und droht unterzugehen. In China, dem größten Absatzmarkt der Welt, wurden im Juli 2024 erstmals mehr rein batteriebetriebene Elektroautos und Plug-in-Hybride verkauft als Verbrennerfahrzeuge, der Absatz dieser Fahrzeuge ist auch 2025 weiter gewachsen. Was wollen Hagel, Bilger, Söder und Rülke dann mit dem Verbrenner?

Die Diskussion um den Verbrenner ist Volksverdummung und Wahlkampfgetöse, sie hilft obendrein der Autoindustrie am wenigsten. Physikalische Wirkungsgrade entziehen sich naturgemäß politischen Beschlüssen. Aber bitteschön, die Politiker sollen ihren Willen bekommen, sind wir technologieoffen, bloß werden sich selbst dann die Verbrenner aus den o.g. Gründen kaum am Markt durchsetzen. Für die Autoindustrie führt der vorgeschlagene Weg jedoch in den Abgrund, weil sie zwar gute Verbrenner baut, diese aber nur noch schwer verkaufen kann. Richtiger wäre, die vergleichsweise preiswerte Wind- und Solarenergie massiv auszubauen, um den Verkehrssektor peu à peu auf die Elektromobilität umzustellen. Wer das nicht kapiert, schadet den Interessen unseres Landes und sollte keine politische Verantwortung tragen.

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[1] SWR vom 09.09.2025
[2] ADAC vom 21.08.2024
[3] Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Diskussionsbeitrag Eine kritische Diskussion der beschlossenen Maßnahmen zur E-Fuel-Förderung im Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung der Bundesregierung vom 28.03.2023, Seite 6, PDF-Datei mit 439 KB