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| Archiv | Impressum 15. September 2025, von Michael Schöfer Dem Faschismus wird der Boden bereitet Um es gleich vorweg zu sagen: Für Mord gibt es keine Rechtfertigung, egal wer die Täter oder die Opfer sind. Dass aber extreme politische Bewegungen solche Anlässe ausnutzen, um Märtyrer zu erzeugen und politische Verfolgung zu rechtfertigen, ist in der Geschichte oft genug vorgekommen, um auch jetzt eindringlich davor zu warnen, denn genau das muss man nun in den USA befürchten. Ein
Beispiel: "Laura Sosh-Lightsy, Vize-Dekanin der Middle
Tennessee State University, schrieb zu Kirks Tod im
Online-Netzwerk Facebook: 'Hass erzeugt Hass. NULL Mitgefühl.'
Die republikanische US-Senatorin Marsha Blackburn, die aus dem
US-Staat Tennessee stammt, prangerte dies umgehend an: 'Diese
Person sollte sich schämen für ihren Post. Sie sollte aus
ihrem Amt entfernt werden', schrieb sie über Sosh-Lightsy.
Noch am selben Abend teilte die Uni mit, dass sie eine
Mitarbeiterin wegen eines 'herzlosen' Kommentars über Kirks
Ermordung entlasse." [1] Das politische Klima in den USA
gleicht einem hysterischen Verfolgungseifer, in dem offen Jagd
auf Andersdenkende gemacht wird. Vorläufig trifft es nur deren
berufliche Existenz. Vorläufig.
Der US-Präsident machte nach dem Attentat auf Charlie Kirk umgehend die "radikale Linke" verantwortlich, obwohl der mutmaßliche Täter aus einem republikanisch wählenden Elternhaus gläubiger Mormonen stammt. Trump fügte drohend hinzu: Seine Regierung werde jeden zur Rechenschaft ziehen, der zu dieser Tat und zu anderer politischer Gewalt beigetragen habe. [2] Die von Donald Trump gewählte Formulierung bietet ihm viel Interpretationsspielraum. Da er die Demokratische Partei als "linksradikal" bezeichnet, könnte er den Versuch unternehmen, rechtzeitig vor der nächsten Wahl die Opposition auszuschalten. Trump ist nicht der Politikertyp, der zur Mäßigung und zur Einhaltung von demokratischen Prinzipien aufruft. Ganz im Gegenteil. Keiner sollte seine Drohung aus dem Wahlkampf vergessen: "Wir werden die Kommunisten, Marxisten, Faschisten und linksradikalen Gangster ausrotten, die wie Ungeziefer in den Grenzen unseres Landes leben, die lügen, stehlen und bei Wahlen schummeln und alles in ihrer Macht Stehende unternehmen werden - legal oder illegal - um Amerika zu zerstören und den amerikanischen Traum zu zerstören." [3] Die Herabsetzung von Menschen als "Ungeziefer" war schon jeher die Vorbereitung für spätere Verbrechen. Deutsche kennen das von den Nazis. Dass er es mit dem Begriff "ausrotten" tatsächlich ernst meinen könnte, ist inzwischen nicht mehr völlig abwegig. Längst schickt Trump Militär in die Hochburgen der Opposition, was die Vorbereitung eines Putsches von oben befürchten lässt. Die Stimmung in den USA ist derzeit so aufgeheizt, dass mittlerweile alles möglich erscheint. Der willfährige Supreme Court wird ihm kaum Steine in den Weg legen, und in seiner Administration sind die entscheidenden Positionen mit absolut loyalen Erfüllungsgehilfen besetzt. Dass Trump Rache an seinen politischen Feinden zu nehmen beabsichtigt, wurde von Kash Patel 2023 ausdrücklich gebilligt. [4] Heute ist der Trump-Fan FBI-Chef, Widerstand gegen illegale Maßnahmen seitens der Regierung ist vom Leiter der Bundespolizei also nicht zu erwarten. Ebenso wenig von Justizministerin Pam Bondi, denn die lässt lieber gegen Beamte ermitteln, die in den Untersuchungen gegen Trump lediglich ihren Job getan haben. [5] Presseberichten zufolge lässt sie auch gegen Ex-Präsident Barack Obama ermitteln, dem Trump "Landesverrat" vorwirft. [6] Absurdistan lässt grüßen. Der Historiker Timothy Snyder erkennt in Trumps Vorgehen das faschistische Prinzip. [7] Und leider muss man ihm seiner Analyse voll und ganz zustimmen. Demokratien sterben nicht an einem Tag, sondern allmählich, der Boden der Tyrannei wird in kleinen Schritten vorbereitet. Genau diese Salamitaktik ist in den USA zu erkennen. Die dunklen Gewitterwolken stehen aber nicht mehr drohend am Horizont, nein, es blitzt und donnert bereits ganz nah. ----------
[1]
Der Standard vom 14.09.2025
[2]
Deutsche Welle vom 11.09.2025
[3]
Spiegel-Online vom 13.11.2023
[4]
The Hill vom 05.12.2023
[5]
CNN vom 11.08.2025
[6]
Berliner Morgenpost vom 23.07.2025
[7] taz vom 12.09.2025
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