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| Archiv | Impressum 01. Oktober 2025, von Michael Schöfer Faschistische Agenda Wer glaubt, "Kriegsminister" Pete Hegseth hätte die ranghöchsten Kommandeure der US-Armee auf dem Marinestützpunkt Quantico/Virginia bloß zusammengerufen, um ihnen seine Auffassung von körperlicher Fitness zu erläutern, ist naiv. Das hätte er ihnen auch per Rundmail mitteilen können. Es ging vielmehr darum, die Streitkräfte auf die Ziele von Donald Trump und seiner MAGA-Bewegung einzuschwören. Der Posse Comitatus Act von 1878 verbietet, die Armee im Inland für Polizeiaufgaben zu verwenden, erlaubt ist hingegen, sie gemäß dem Insurrection Act von 1807 zur Bekämpfung von Aufständen einzusetzen. Wenn der US-Präsident die Nationalgarde also anweist, die angeblich aus den Fugen geratene Kriminalität in (demokratisch regierten) Großstädten in den Griff zu bekommen, ist das illegal. Donald Trump wollte die Kommandeure persönlich auf seine Sichtweise einschwören: "Der Präsident sprach seinen umstrittenen Einsatz des Militärs zur Strafverfolgung an und teilte den Militärführern mit, dass eine von ihm im August unterzeichnete Durchführungsverordnung dem Militär dabei helfen werde, 'zivile Unruhen zu unterdrücken' und 'den Feind im Inneren' zu bekämpfen. 'Letzten Monat habe ich eine Durchführungsverordnung unterzeichnet, die die Ausbildung einer schnellen Eingreiftruppe vorsieht, die bei der Unterdrückung ziviler Unruhen helfen kann. Das wird für die Menschen in diesem Raum eine große Sache sein, denn es ist der Feind von innen, und wir müssen ihn in den Griff bekommen, bevor er außer Kontrolle gerät. Er wird nicht außer Kontrolle geraten.'" [1] Wen er damit meint, ist eigentlich seit langem klar. Trump arbeitet peu à peu seine - man kann es nicht anders sagen - faschistische Agenda ab:
1. Kontrolle der Justiz (via Supreme Court bereits gelungen)
2. Gleichschaltung der Presse (durch Selbstunterwerfung von Medien-Konzernen schon teilweise erfolgt; Journalisten seien "Feinde des Volkes", deren an Trump Kritik übende Berichterstattung sei "illegal") 3. Verächtlichmachung und Kriminalisierung der politischen Gegner (Schmähung der Demokratischen Partei als "linksradikal"; eine nicht genau abgrenzbare Gruppe wie die "Antifa" als Terrorgruppe einstufen, was wiederum die Möglichkeit bietet, praktisch jeden Widersacher dort einzuordnen und anzuklagen; im Wahlkampf hat Trump angekündigt, die Kommunisten, Marxisten, Faschisten und linksradikalen Gangster "auszurotten" und sie dabei als "Ungeziefer" bezeichnet, was das Schlimmste befürchten lässt) 4. Umbau der Verwaltung, Besetzung von Posten nach Loyalität, nicht nach Kompetenz (z.B. Leitung des FBI, demnächst vielleicht sogar die Kontrolle über die Federal Reserve) 5. Einflussnahme auf die Wirtschaft (z.B. Forderung nach Entlassung von Managern, die angeblich eine "Bedrohung für die nationale Sicherheit" seien, etwa Lisa Monaco von Microsoft oder Intel-Chef Lip-Bu Tan) 6. Das Einschwören der Armee auf die eigenen Ziele und die Ankündigung, sie im Innern gegen die eigenen Staatsbürger einzusetzen (inklusive der Drohung mit Säuberungen, falls das bei einzelnen Kommandeuren nicht gelingt) 7. Manipulation von Wahlen (ob die Midterms 2026 frei und fair sein werden, steht momentan in den Sternen, von der nächsten Präsidentschaftswahl 2028 ganz zu schweigen) 8. Militärische Aggression nach außen, ggf. unter Nutzung fadenscheiniger Gründe und Missachtung des Völkerrechts (steht noch aus, könnte aber in Kürze etwa gegen Venezuela beginnen) 9. Hinzu kommt bei Trump die nicht einmal verschleierte massive Korruption (andere Autokraten machen das heimlich) Fakten spielen bei der Unterscheidung zwischen "Polizeiaufgaben" und "Aufstandsbekämpfung" keine Rolle mehr. Jedenfalls für den notorischen Lügner Donald Trump. So soll zum Beispiel die Nationalgarde in Memphis die angeblich "ausufernder Kriminalität" bekämpfen, dabei meldet die dort zuständige Polizei eine rückläufige Kriminalitätsrate. "Die Gesamtkriminalität habe ein 25-Jahres-Tief erreicht, die Mordrate den niedrigsten Stand seit sechs Jahren." [2] Die Stadt Portland im US-Bundesstaat Oregon ist laut Trump "vom Krieg verwüstet", was freilich vor Ort keiner bestätigten kann. Das bedeutet: Wo Trump einen "Aufstand" sieht, findet auch einer statt, deshalb ist seiner Meinung nach die Aufstandsbekämpfung durch die Armee gerechtfertigt. Ob der "Aufstand" tatsächlich stattfindet, ist vollkommen irrelevant. Die Soldaten der US-Armee haben allerdings einen Eid auf die Verfassung geleistet, nicht auf die politische Agenda des US-Präsidenten. In Quantico hat er den Kommandeuren mitgeteilt, dass er das anders sieht. Und wer da nicht mitmache, könne ja gehen. Was die schweigenden und mit versteinerter Miene zuhörenden Kommandeure darüber denken, kann man bloß vermuten. Bei alldem müssen wir bedenken: Donald Trump ist erst seit gut acht Monaten im Amt, und bislang gibt es keinen Hinweis darauf, dass er oder seine Anhänger in der Grand Old Party sich mäßigen könnten. Insofern überrascht mich das Treffen mit den Kommandeuren der Armee nicht wirklich. Im Gegenteil, es passt ins Bild - auch wenn wir uns das im "Land of the free" und den in der Verfassung verankerten "checks and balances" sowie der dort garantierten Rede- und Pressefreiheit nicht vorstellen konnten. ----------
[1]
CBS vom 30.09.2025
[2] tagesschau.de vom 16.09.2025
Nachtrag
(02.10.2025):
Auf
der Website rev.com wurde die Transkription der
Reden von Pete Hegseth und Donald Trump veröffentlicht. Wenn
man Trumps Gestammel liest
(ab 01:16:41), kann man nur ahnen, was die versammelten
Kommandeure dabei wohl gedacht haben. Vermutlich waren sie
insgeheim entsetzt.
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