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15. November 2025, von Michael Schöfer
Gebt den Preissn a a bissal wos ab


Konservative wollen etwas "erhalten" oder "bewahren", aber wenn sie in Zeiten, in denen sich die Verhältnisse rasch ändern, alte Strukturen aufrechterhalten, wird das, was sie erhalten oder bewahren wollen, mitunter gerade dadurch zerstört. Momentan ändert sich die Welt durch den von Menschen verursachten Klimawandel schneller als ursprünglich erwartet, deshalb müssten sich Konservative eigentlich von CO2-Emissionen verursachenden Techniken verabschieden. Wollen sie aber nicht.

Nehmen wir etwa ihr krampfhaftes Festhalten am Verbrennermotor, was Konservative gerne mit dem modern klingenden Begriff der "Technologieoffenheit" verbrämen. Angesichts ungünstiger Wirkungsgrade bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff oder E-Fuels, dürften damit betriebene Motoren für die große Masse der Autofahrer ausscheiden. [1] Schon allein aufgrund des hohen Verkaufspreises. Und die Mär vom "hocheffizienten" Benzin- oder Dieselmotor ist nichts anderes als unseriöse Bauernfängerei. Eine CO2-freie Verkehrswende gelingt daher aller Voraussicht nach nur mit dem Elektroauto.

Nun können Konservative natürlich am Verbrenner festhalten, sollten sich dann aber nicht wundern, wenn sie damit die deutsche Automobilindustrie endgültig in die Sackgasse manövrieren und zum Untergang verurteilen. Andere Länder werden nämlich in naher Zukunft schlicht keine deutschen Verbrennerfahrzeuge mehr importieren. China etwa, ein Land, in dem schon jetzt die Hälfte der verkauften Neufahrzeuge keine reinen Verbrenner mehr sind, denn dort boomen gerade Plug-in-Hybride (PHEV), Range Extender (EREV) und reine Elektroautos (BEV). In der Konsequenz bedeutet das Festhalten am Verbrennermotor: Ade, Autoweltmarktführer Deutschland. (Dass die deutsche Autoindustrie 2025 in der Krise ist, liegt gewiss nicht am für 2035 angekündigten Neuzulassungsverbot für Verbrenner.)

Das Gleiche erleben wir beim genauso krampfhaften Festhalten der Konservativen an der Kernenergie. Beispiel Markus Söder: Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende hat sich soeben erneut für eine Rückkehr zur Atomkraft ausgesprochen. Es geht ihm dabei aber nicht um große Kernkraftwerke, sondern um sogenannte SMR (Small Modular Reactors, kleine modulare Reaktoren). "Ich spreche von kleineren, smarten Reaktoren, wie es sie in Kanada bereits gibt", sagte Söder der "Welt am Sonntag". [2] Ach, wirklich?

2011, nach dem GAU von Fukushima, drohte Söder mit seinem Rücktritt als bayerischer Umweltminister, falls es nicht rasch zu einem Atomausstieg komme. [3] Und heute fordert er den Wiedereinstieg. Doch die SMR sind wohl das, was die Wasserstoff- und E-Fuel-Motoren für die Autoindustrie verkörpern: ein schwer zu realisierender Wunschtraum. Die kanadische Energieregulierungsbehörde CER schreibt dazu auf ihrer Website: "Kanada hat bei der Entwicklung kleiner modularer Reaktoren (SMR) eine Vorreiterrolle eingenommen." Allerdings weist sie auch darauf hin: "Bislang wurden in OECD-Ländern noch keine kommerziellen SMR-Projekte abgeschlossen. Daher sind die Kosten weiterhin ungewiss. Im Vergleich zu Großreaktoren dürften SMRs aufgrund ihrer geringeren Größe mit niedrigeren Anfangsinvestitionen realisiert werden. Die Investitionskosten pro Produktionseinheit können jedoch relativ hoch sein. Erste Schätzungen gehen davon aus, dass die Investitionskosten pro Produktionseinheit für eine SMR-Anlage, die für den Bergbaubetrieb gebaut wird, etwa 70 % höher liegen könnten als bei herkömmlichen Großreaktoren." Außerdem: "Kanadas erstes kommerzielles SMR-Kraftwerk soll bis 2030 in Darlington, Ontario, gebaut werden." [4]

Das, was Markus Söder behauptet, dass es in Kanada bereits SMR gäbe, stimmt offenbar gar nicht. Obendrein könnten die Kosten am Ende drastisch höher ausfallen. Wie das Ganze ohne staatliche Subventionen funktionieren soll, bleibt wohl Söders gut gehütetes Geheimnis. Die Begeisterung dürfte sich selbst in Bayern in Grenzen halten. By the way, das Endlagerproblem bleibt auch mit den SMR ungelöst. Wie war das mit dem atomaren Endlager in Bayern, Herr Ministerpräsident? "CSU-Chef Markus Söder will kein Endlager für hoch radioaktiven Atommüll auf bayerischem Boden. Ein solches Lager schließt er wegen Sicherheitsaspekten kategorisch aus." [5] Mit anderen Worten: Söder will zwar unbedingt eine Renaissance der Atomkraft, aber den Atommüll überlässt er dann großzügig den anderen. Motto: Gebt den Preissn a a bissal wos ab.

In Zeiten, in denen Figuren wie Donald Trump gewählt werden, wundert es mich ehrlich gesagt nicht, dass sie auch in Bayern einen wie Markus Söder wählen. Dennoch kann ich darüber bloß verständnislos den Kopf schütteln.

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[1] siehe Volksverdummung und Wahlkampfgetöse vom 09.09.2025
[2] BR.de vom 15.11.2025
[3] Süddeutsche vom 26.05.2011
[4] Canada Energy Regulator vom 20.08.2025, Market Snapshot: Canada's role in small modular reactor (SMR) technology, Hervorhebung von mir
[5] Spiegel-Online vom 08.07.2019