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13. März 2007, von Michael Schöfer
Der "GröFaZ" soll ausgebürgert werden


Oje, das wird den "GröFaZ" (größter Feldherr aller Zeiten) aber treffen: Die SPD Hannover will ihm, der sich am 30. April 1945 durch Suizid seiner Verantwortung entzog, nachdem er zuvor einen Weltkrieg entfachte und rund 6 Mio. Juden in die Gaskammern trieb, nachträglich die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen. [1] "Aus dem Führerhauptquartier wird gemeldet, dass unser Führer Adolf Hitler heute Nachmittag in seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei, bis zum letzten Atemzuge gegen den Bolschewismus kämpfend, für Deutschland gefallen ist", verkündete die Reichspropaganda damals pathetisch. "Getreu seiner großen Idee, die Völker Europas vor dem Bolschewismus zu bewahren, hat er sein Leben eingesetzt und den Heldentod gefunden. Mit ihm ist einer der größten Helden deutscher Geschichte dahingegangen." Eine Lüge - wie so vieles im "Tausendjährigen Reich".

Adolf Hitler soll also wieder staatenlos werden. Oder nehmen ihn gar die Österreicher zurück? Na, die werden sich gewiss bedanken. Auch dort ist der Bedarf an einem "der größten Helden der deutschen Geschichte" gering. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was diese Schnapsidee soll. Will die SPD der niedersächsischen Landeshauptstadt etwa auf diesem Weg die deutsche Geschichte sozusagen mit einem hoheitlichen Federstrich bereinigen? Immerhin könnte dann hierzulande bequem darauf hingewiesen werden: "Hitler? Deutscher war der jedenfalls nicht." Kaum vorstellbar.

Doch was will man dann? Wozu soll der Entzug der Staatsangehörigkeit, 61 Jahre nach Hitlers unrühmlichen Selbstmord, dienen? Dass dem seinerzeit staatenlosen Naziführer erst die "Anstellung als Regierungsrat beim Landeskultur- und Vermessungsamt des Freistaates Braunschweig (...) Ende Februar 1932 zur deutschen Staatsangehörigkeit" verhalf und "somit die formale Voraussetzung zur Kandidatur bei der Reichspräsidentenwahl im selben Jahr" schuf [2], ist doch aus heutiger Sicht eine historische Petitesse. Mit dem Entzug der Staatsangehörigkeit kann man Deutschland nicht von Hitler reinwaschen. Und ehrlich gesagt, das soll man auch nicht.

Die Opfer und deren Nachfahren hätten dafür mit Sicherheit kein Verständnis. Im Ausland entstünde der Eindruck, die Bundesrepublik drücke sich durch diesen skurrilen Akt vor der Verantwortung für die von Deutschen begangenen Verbrechen. Wie würden wir reagieren, wenn Russland heute dem aus Georgien stammenden Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili, besser bekannt unter seinem Pseudonym Stalin, posthum die russische Staatsangehörigkeit entzöge? Da wüssten wir bestimmt nicht, ob wir lachen oder weinen sollten. Groteske Geschichtsklitterung in bester Stalin-Manier, würden wir da vielleicht rufen. Und das zu Recht. Oder hat sich das Problem, so es denn überhaupt eines ist, mit der Auflösung der Sowjetunion quasi von selbst erledigt? Wie dem auch sei, Geschichte nachträglich zu manipulieren, hat immer einen faden Beigeschmack. Man hört, dies sei als symbolischer Akt gemeint. Aha. Sorry, aber darunter verstehe ich etwas ganz anderes.

"Im Zuge einer an den Einwohnern der griechischen Ortschaft Distomo verübten 'Vergeltungsaktion' erschossen Angehörige einer in die deutschen Besatzungstruppen eingegliederten SS-Einheit, nachdem es zuvor zu einer bewaffneten Auseinandersetzung mit Partisanen gekommen war, zwischen 200 und 300 der - an Partisanenkämpfen unbeteiligten - Dorfbewohner. Unter den Opfern befanden sich vor allem alte Menschen, Frauen, Kinder und Säuglinge. Das Dorf wurde niedergebrannt." Das Massaker geschah am 10. Juni 1944. [3] "Keine Familie in Distomo blieb verschont. Männer, Frauen, Greise, Kinder - das jüngste Opfer war gerade einmal zwei Monate alt. Bis heute blieb das Verbrechen ungesühnt." [4] Und bis heute warten die Opfer auf eine Entschädigung.

Oder nehmen wir das nordgriechische Dorf Kommono, dort ermordeten deutsche Gebirgsjäger am 16. August 1943 317 Menschen: 172 Frauen und 145 Männer. 14 der Ermordeten waren älter als 65 Jahre, 97 jünger als 15 Jahre und 13 waren sogar erst ein Jahr alt. "38 Menschen verbrannten in den Häusern, von denen 181 zerstört wurden. Nach Aussagen von Überlebenden aber auch von Angehörigen der Kompanie kam es bei den Morden zu sadistischen Exzessen." [5] Entschädigung? Ebenfalls Fehlanzeige.

Liebe SPD in Hannover, wenn Ihr unbedingt einen symbolischen Akt braucht, dann spendet doch für die Opfer von Distomo oder Kommono. Aber bitte lasst das mit der Ausbürgerung von Adolf Hitler. In meinen Augen ist der posthume Entzug der Staatsangehörigkeit nämlich kein symbolischer, sondern vielmehr ein zwar gut gemeinter, in Wahrheit jedoch völlig überflüssiger Akt, der Missverständnisse geradezu provoziert.

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[1] Frankfurter Rundschau vom 13.03.2007
[2] Wikipedia, Adolf Hitler
[3] Wikipedia, Distomo
[4] Homepage von Wilfried Jakisch
[5] Lexikon der Wehrmacht, Kriegsverbrechen der 1. Gebirgs-Division auf dem Balkan