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| Impressum 23. Dezember 2008, von Michael Schöfer Warum machen Journalisten das mit? Was kommt jedes Jahr im Dezember über uns? Nein, es ist nicht die Erinnerung an das Asylantenkind, das der Legende nach vor ungefähr 2.000 Jahren in einer Bethlehemer Hartz IV-Unterkunft zur Welt gekommen sein soll (später wurde es auf den Namen "Christkind" getauft). Was jedes Jahr im Dezember über uns kommt, ist das Gefasel von Hubertus Pellengahr vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) und der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Angeblich laufe das Weihnachtsgeschäft überraschend gut, vermeldet Pellengahr. Die GfK wiederum registriert gestiegene Konsumlaune. Und das, wie Weihnachten, jedes Jahr aufs Neue. Reine Gesundbeterei. Die realen Zahlen sind nämlich meist viel schlechter als das, was uns die optimistischen Sprüche weismachen wollen. So verkündete Pellengahr im letzten Jahr: "Gut eine Woche vor Heiligabend hat das Weihnachtsgeschäft deutlich an Schwung gewonnen. Es weihnachtet mehr", versicherte er damals frohgemut. [1] Im darauffolgenden Frühjahr war die heile Handelswelt schon wieder vorbei, denn dann wurden die Fakten präsentiert: "Der für den Handel so wichtige Dezember bescherte der Branche einen Umsatzrückgang um 7,1 Prozent", musste der HDE kleinlaut eingestehen. [2] Das Statistische Bundesamt hat beim Weihnachtsgeschäft sogar ein Minus von 7,5 Prozent registriert. [3] Ende 2007 behauptete die GfK: "Die deutschen Verbraucher werden im Jahr 2008 durchschnittlich rund 700 Euro mehr Konsumpotenzial haben als im laufenden Jahr. Die Kaufkraft wächst mit rund 3,8 Prozent deutlich stärker als die Inflation." [4] Obgleich das Jahr noch nicht vorbei ist, lässt sich dieser Trend zumindest beim Einzelhandel kaum nachvollziehen, 2008 wird wahrscheinlich nicht besser sein als 2007. Eher schlechter, real wird vermutlich erneut ein Rückgang zu verzeichnen sein. Dessen ungeachtet prognostiziert die GfK nun für 2009: "Das Konsumklima bleibt auch im neuen Jahr stabil - wenn auch auf niedrigem Niveau." [5] Natürlich sind an der mangelnden Treffsicherheit der Prognosen nicht die unzureichenden bzw. unrealistischen Annahmen des HDE und der GfK schuld, sondern zum Beispiel die Finanzkrise. Ja, ja, es kommt halt immer etwas dazwischen. Ich frage mich bloß, warum machen Journalisten das Spielchen mit? So stellt etwa die Frankfurter Rundschau heute, wie wenn die Zahlen bereits auf dem Tisch liegen würden, unkritisch fest: "Kaufrausch vor dem Kater". Ohne die wenig treffsicheren Vorhersagen der Vorjahre zu berücksichtigen, wird einfach das Gesülze des HDE und der GfK an den Leser weitergereicht. In der ersten Jahreshälfte habe es nach Angaben der GfK (von der FR ungeniert als "Konsumexperten" tituliert) kräftige Lohnerhöhungen gegeben. "Die sinkende Sparquote spricht laut GfK dafür, dass die Leute das Geld auch ausgeben." Sinkende Sparquote? Noch vor kurzem hieß es: "Angesichts der Finanzkrise sparen die Deutschen wieder mehr. Der Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken erklärte in Berlin, die Sparquote werde in diesem Jahr von 10,8 auf 11,2 Prozent steigen." [6] Eine Nachfrage von der ach so kritischen Frankfurter Rundschau? Fehlanzeige! Wie viele andere Publikationen schließt sie sich dem allgemeinen Blabla an. "Deutsche wieder in Konsumlaune", heißt es allerorten. Oder: "Erstaunlicherweise haben Finanzkrise und Rezession der Verbraucherstimmung in Deutschland bislang kaum etwas anhaben können." Erstaunlicherweise? Wenn man genauer hinsieht, ist das Ganze fast ausschließlich auf die, wie wir gesehen haben, unrealistischen Verlautbarungen des HDE und der GfK zurückzuführen. Doch was deren Pressemeldungen wert sind, dürfte eigentlich hinreichend bekannt sein. Noch einmal die Frage: Warum machen Journalisten das mit? ---------- [1] HDE, Pressemeldung vom 16.12.2007 [2] HDE, Pressemeldung vom 13.03.2008 [3] Statistisches Bundesamt, Umsatz im Einzelhandel [4] GfK-Studie zur Kaufkraft vom 17.12.2007 [5] GfK, Pressemeldung vom 22.12.2008 [6] Deutschlandradio vom 19.10.2008 Nachtrag (04.02.2009): Wie hatten sie übers Weihnachtsgeschäft gejubelt - und die Journalisten gingen ihnen auf den Leim. Jetzt hat das Statistische Bundesamt die vorläufigen Ergebnisse des Einzelhandelsumsatzes vorgelegt. Nix war's mit dem Kaufrausch: Der Umsatz des Einzelhandels lag im Jahr 2008 real 0,4 Prozent niedriger als 2007. Und: "Im Dezember 2008 erzielte der Einzelhandel in Deutschland (...) real 0,3% weniger Umsatz als im Dezember 2007" (der wiederum ein ziemlich schwacher Monat war). Das Weihnachtsgeschäft 2008 ging also voll in die Hose. Doch wetten, dass wir Ende 2009 abermals Jubelarien übers angeblich prächtig laufende Weihnachtsgeschäft von HDE und GfK hören werden? |