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15. Mai 2011, von Michael Schöfer
Alles nur der Neid


Silvana Koch-Mehrin bekommt womöglich ihren Doktortitel aberkannt. Wie bei Karl-Theodor zu Guttenberg werden ihr massive Plagiatsvorwürfe gemacht. Der Bericht von "VroniPlag Wiki" kommt zu dem Ergebnis: "Bis zum jetzigen Zeitpunkt wurden auf 56 von 201 Textseiten Plagiatstellen nachgewiesen. Dokumentiert sind Textübernahmen aus insgesamt 15 verschiedenen Quellen." [1] Daraufhin erklärte sie am 11. Mai 2011: "Mit sofortiger Wirkung lege ich mein Amt als Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament nieder. In Folge dessen bin ich auch ab sofort nicht mehr Mitglied des Präsidiums der FDP. (...) Mit sofortiger Wirkung trete ich auch von dem Amt der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments zurück (...)." [2]

Die FDP-Vorzeigefrau gelte "nicht nur unter ihren Kollegen im Europa-Parlament als faul und inkompetent", schreibt die Frankfurter Rundschau. [3] "Ich habe sie als kluge Europapolitikerin kennen und schätzen gelernt", sagt hingegen Lothar Bisky, der Vorsitzende der Linken im EU-Parlament. [4] Wie auch immer, jetzt muss sie jedenfalls noch weniger arbeiten - und erhält weiterhin ein üppiges Salär, schließlich bleibt sie vorerst Europaabgeordnete. Besser kann's doch trotz der Vorwürfe gar nicht laufen.

EU-Parlamentarier bekommen momentan nach Angaben des Europäischen Parlaments ein monatliches Grundgehalt von 7.956,87 Euro brutto (= 6.200,72 Euro netto) plus eine monatliche Kostenpauschale von 4.299 Euro plus ein Tagegeld von 304 € für jeden Tag, "an dem das Mitglied an offiziellen Sitzungen der Gremien des Europäischen Parlaments, denen es angehört, teilnimmt".

Nicht schlecht, Herr Specht. Ich muss mal bei meinem Arbeitgeber nachfragen, ob ihm mein morgendliches Kommen auch eine Tagespauschale wert ist. Wenn nicht, mache ich es so wie ein fauler Europaabgeordneter: Ich bleibe einfach zu Hause im Bett liegen. Das Gehalt läuft ja weiter, und auf die Tagespauschale kann ich notfalls verzichten.

Zurück zur Versorgung Koch-Mehrins: Gemäß dem 2005 beschlossenen und 2009 in Kraft getretenen Abgeordnetenstatut des Europäischen Parlaments [PDF-Datei mit 66 kb] gibt es nach dem Ausscheiden aus dem EU-Parlament ein Übergangsgeld in Höhe der Abgeordnetenentschädigung (Artikel 13 Abs. 1). "Dieser Anspruch besteht für jedes Jahr der Ausübung des Mandats für einen Monat, mindestens jedoch für sechs und höchstens für 24 Monate." (Artikel 13 Abs. 2) Koch-Mehrin ist seit sieben Jahren Abgeordnete und bekäme damit ihr Grundgehalt sieben Monate lang weitergezahlt.

Ebenso üppig ist ihre spätere Rente: Ab dem vollendeten 63. Lebensjahr gibt es für EU-Parlamentarier für jedes volle Jahr der Ausübung des Mandats ein Ruhegehalt in Höhe von 3,5 Prozent der Abgeordnetenentschädigung, jedoch nicht mehr als 70 Prozent (Artikel 14). Würde sie jetzt ausscheiden, bekäme sie 24,5 Prozent ihrer Abgeordnetenentschädigung (7 x 3,5 %), das sind 1.949,43 Euro. Und weil sie Abgeordnete bleibt, kommt da noch etwas hinzu (die aktuelle Legislaturperiode läuft noch bis Juni 2014).

1.949 Euro - nach nur sieben Jahren Arbeit! Und das schon ab 63! Bleibt Koch-Mehrin bis 2014 Abgeordnete, beträgt ihr Ruhegehalt mindestens 2.784,90 Euro. Zum Vergleich: Die Standardrente, also die Rente, die ein Durchschnittsverdiener nach 45 Versicherungsjahren erhält, beträgt zur Zeit in Westdeutschland 1.224 Euro. In Ostdeutschland sind es lediglich 1.085,85 Euro.

Fazit: Unabhängig davon, wie die Sache mit ihrem Doktortitel ausgeht, um Silvana Koch-Mehrin braucht man sich bestimmt keine Sorgen machen. Zum Sozialfall wird sie nicht.

Ja, ja, ich weiß, alles nur der Neid.

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[1] Bericht 20110419, Seite 4, PDF-Datei mit 427 kb
[2] Website von "Dr." Silvana Koch-Mehrin
[3] Frankfurter Rundschau vom 19.04.2011
[4] FAZ.Net vom 12.05.2011