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18. September 2016, von Michael Schöfer
Ein Sieg von Donald Trump wäre der Super-GAU


In den USA leben nicht nur Präsidenten gefährlich, sondern auch Präsidentschaftskandidaten. Die bekanntesten Präsidenten, die einem Attentat zum Opfer fielen, sind Abraham Lincoln (1861-1865 der 16. Präsident der USA) und John F. Kennedy (1961-1963 der 35. Präsident der USA). Auch James A. Garfield (1881 für kurze Zeit der 20. Präsident der USA) und William McKinley (1897-1901 der 25. Präsident der USA) wurden ermordet. Auf fast alle Präsidenten der Nachkriegszeit wurden - glücklicherweise erfolglos - Attentate verübt: Harry S. Truman, Richard Nixon, Gerald Ford, Jimmy Carter, Ronald Reagan, George H. W. Bush, Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama. [1] Auf der Liste fehlen lediglich Dwight D. Eisenhower und Lyndon B. Johnson.

Robert F. Kennedy kam 1968 im Vorwahlkampf bei einem Attentat ums Leben, als er sich um die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei bemühte. In jenem Jahr wurde der Republikaner Richard Nixon als Präsident gewählt, der seinem Land 1972 den Watergate-Skandal bescherte. Wir werden nie wissen, wie sich die Welt entwickelt hätte, wenn 1968 Kennedy und nicht Nixon der 37. Präsident der Vereinigten Staaten geworden wäre. Um die Sicherheit von Präsidenten, Vizepräsidenten, deren Familien, ehemaligen Präsidenten und deren Ehegatten sowie bestimmten Kandidaten für das Amt des Präsidenten und des Vize-Präsidenten kümmert sich der Secret Service. Und der ist neuerdings mit einem speziellen Problem konfrontiert: Es hört auf den Namen Donald Trump.

Der 2. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten verbietet der Bundesregierung, das Recht auf den Besitz und das Tragen von Waffen einzuschränken. Zuletzt hat der Oberste Gerichtshof (Supreme Court) 2008 und 2010 diesen Zusatzartikel im Sinne der Verfechter einer liberalen Schusswaffenpolitik ausgelegt. Danach verstoßen Bestimmungen, die Bürgern den Besitz von Waffen untersagen, gegen die Verfassung. Hinzugefügt werden muss, dass in den USA das Verhältnis der Bürger zu Schusswaffen ähnlich neurotisch ist wie hierzulande die Einstellung der Deutschen zu einem generellen Tempolimit auf Autobahnen.

Besagter Donald Trump, momentan hauptberuflich Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei, hat sich bereits im August recht zweideutig geäußert: "Hillary will den zweiten Verfassungszusatz abschaffen, wirklich abschaffen. Übrigens, falls sie es schafft auszuwählen (Buhrufe) Falls sie es schafft, ihre Richter auszuwählen, kann man nichts dagegen machen, Leute. Obwohl: Es gibt die Zweite-Verfassungszusatz-Leute, vielleicht ist es das. Ich weiß nicht." [2] Von vielen wurde das als verklausulierte Aufforderung verstanden, auf Hillary Clinton ein Attentat zu verüben. Und zwar nach ihrer Wahl zur US-Präsidentin. Richter auswählen kann Clinton nämlich erst dann, wenn sie im Weißen Haus sitzt. Nun hat er es erneut getan: "Bei einem Wahlkampfauftritt in Miami wiederholte er seine Forderung, die Waffen der Secret-Service-Agenten Clintons zu konfiszieren. Dann fügte Trump hinzu: 'Sie ist gegen Waffen. Nehmt ihnen die Waffen weg. Lasst uns sehen, was mit ihr passiert. Okay, das wäre sehr gefährlich.'" [3] Jeder andere wäre wohl festgenommen worden, denn Drohungen gegen Präsidenten oder Präsidentschaftskandidaten sind in den USA strafbar.

Unlängst haben 50 prominente Republikaner vor Donald Trump gewarnt - vor dem Kandidaten der eigenen Partei, wohlgemerkt. Ihm würden der Charakter und die Werte fehlen, um Präsident zu sein. Und es mangele Trump "an Basiswissen über und Glauben an die US-Verfassung, US-Gesetze und US-Institutionen sowie religiöse Toleranz, Freiheit der Presse und eine unabhängige Justiz". Kurzum, er wäre ein gefährlicher Präsident. [4] Colin Powell, unter George W. Bush Außenminister, bezeichnet ihn sogar als "nationale Schande". Und in den Augen des Pulitzerpreisträgers David Cay Johnston, der mehrere Bücher über Trump geschrieben hat, ist Donald Trump ein Trickbetrüger und Rassist. Auch er sieht große Defizite in Trumps Persönlichkeit und prophezeit im Falle seiner Amtsübernahme das Ausbrechen von Verfassungskrisen, etwa durch rechtswidrige Befehle ans Militär. [5]

Dieser Mann ist in der Tat brandgefährlich. Und ich wage nicht vorherzusagen, ob das politische System der USA stabil genug ist, um einen Präsidenten Donald Trump zu verkraften. Wir erleben ja andernorts, wie schnell bei Verstößen gegen die Verfassung der Widerstand gebrochen wird. Vor allem, weil sich stets ausreichend Opportunisten finden lassen, die die illegalen Befehle eines Autokraten willfährig umzusetzen bereit sind. Und weil das Volk gegen Soldaten und Polizisten, die sich missbrauchen lassen, oft machtlos ist.

In Umfragen scheint Trump, acht Wochen vor der Wahl, aufzuholen. Wegen den Eigenheiten des Wahlsystems stehen dabei insbesondere die Swing-States im Fokus. Das sind Bundesstaaten, in denen die Wahl wahrscheinlich knapp ausfällt. In den USA gilt: Wer einen Staat gewinnt, entsendet aus ihm alle Wahlmänner ins Wahlmännerkollegium (Electoral College), das bei der Präsidentschaftswahl ausschlaggebend ist. Dort braucht man die Mehrheit, wenn man Präsident werden will. Durch das Mehrheitswahlrecht (the winner takes all) kann es zu kuriosen Konstellationen kommen. Im Jahr 2000 bekam der Demokrat Al Gore landesweit die meisten Stimmen (50.999.897 = 48,38 %) und gewann in 21 Bundesstaaten. Der Republikaner George W. Bush bekam lediglich 50.456.002 Stimmen (47,87 %), siegte aber in 30 Bundesstaaten, was ihm im Electoral College eine Mehrheit von 271 zu 266 Wahlmännern sicherte. [6] Inzwischen liegt Trump in einigen Umfragen in den wichtigen Swing-States Ohio und Florida vorne. Hillary Clinton kann aktuellen Umfragen zufolge mit 200 Wahlmännern rechnen, Donald Trump mit 164. Aber derzeit ist noch völlig offen, wer die 174 Wahlmänner der Swing-States bekommt. [7]

Es bleibt also spannend. Und vor Trump sollte man sich echt fürchten. Hoffentlich sehen das die Wählerinnen und Wähler am 8. November genauso. Ein Sieg von Donald Trump käme jedenfalls einem Super-GAU gleich.

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[1] Wikipedia, Liste der Attentate auf Präsidenten der Vereinigten Staaten
[2] Spiegel-Online vom 09.08.2016
[3] Die Zeit-Online vom 17.09.2016
[4] FAZ.Net vom 09.08.2016
[5] Süddeutsche vom 15.09.2016
[6] Wikipedia (en), United States presidential election 2000
[7] RealClear Politics, Polls, Battle for White House