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16. Januar 2018, von Michael Schöfer
Haarsträubende taktische Fehler


Heute hat ein Bekannter von mir das Ergebnis der Sondierungsgespräche gelobt. Kleiner Wermutstropfen für die SPD: Er ist CDU-Mitglied. Die Union kann sich in der Tat freuen, ganz im Gegensatz zu den Sozialdemokraten. Letztere sind nach der aktuellen Sonntagsfrage (Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre…) von INSA/YouGov auf 18,5 Prozent gefallen, das bedeutet gegenüber dem Ergebnis der Bundestagswahl vom 24. September 2017 ein Verlust von zwei Prozentpunkten. [1]

Und das deckt sich auch mit dem Eindruck, den die Bürger von den Sondierungsgesprächen und den dabei gefundenen Kompromissen gewonnen haben. Einer repräsentativen Umfrage zufolge sehen die Bundesbürger die Unionsparteien klar im Vorteil: 38 Prozent der Wahlberechtigten sind der Ansicht, dass sich die CDU bei den Sondierungen am meisten durchgesetzt hat, 17 Prozent sagen das über die CSU, aber bloß 15 Prozent über die SPD. Die Sozialdemokraten haben selbst bei ihren eigenen Anhängen nur eine Minderheit (32 %) überzeugen können. 66 Prozent aller Befragten bewerten die Verhandlungsführung von Martin Schulz als schlecht, 56 Prozent halten ihn obendrein für unglaubwürdig. [2] Das ist ein Schlag ins Kontor.

Man spürt förmlich, wie zaghaft und ängstlich die SPD daherkommt, dabei wollte die Partei ursprünglich Merkel und Seehofer das Fürchten lehren. Daraus ist offenkundig nichts geworden. Die ehedem linke Volkspartei liegt bereits am Boden, und wenn sie auf die Mehrheit der Parteifunktionäre hört, wird sie darin noch tiefer versinken, die stehen nämlich - siehe oben - im Gegensatz zur Mehrheit der sozialdemokratischen Wählerinnen und Wähler. Angela Merkel kommt übrigens in der Umfrage gut weg. Mit dieser Meisterin der Taktik will sich die SPD erneut ins Koalitionsbett legen? Da kann man nur viel Erfolg wünschen.

Die GroKo wird bestimmt ein Desaster, doch vor Neuwahlen zittern die Sozialdemokraten wie Espenlaub. Merkel zur Minderheitsregierung zu nötigen und sich in der Opposition zu regenerieren versuchen, lehnt das Parteiestablishment inzwischen ab (die anderslautenden Äußerungen kurz nach der Bundestagswahl waren offenbar bloß das übliche Geschwätz von gestern). Wie kann man sich nur innerhalb so kurzer Zeit durch derart haarsträubende Fehler in eine schier ausweglose Lage manövrieren? Das taktische Vorgehen der SPD bewegte sich bestenfalls auf dem Niveau der dritten Liga, bundesligareif war es jedenfalls nicht. Unfassbar!

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[1] wahlrecht.de, Umfrage vom 15.01.2018
[2] tagesschau.de vom 16.01.2018