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12. Januar 2020, von Michael Schöfer
Bloß ein Sturm im Wasserglas?


Ist schon alles vorbei? Als die USA auf Befehl von US-Präsident Donald Trump den iranischen General Qasem Soleimani durch einen Drohnenangriff liquidierten, hielt die Welt den Atem an. In Teheran trauerten Hunderttausende auf den Straßen der iranischen Hauptstadt, skandierten "Tod Amerika", "Tod Israel" und verbrannten das Sternenbanner sowie die Flagge Israels mit dem Davidstern. Den USA und Israel stünde ein schwarzer Tag bevor, drohte die Tochter Soleimanis. "Verrückter Trump, denke nicht, dass mit dem Märtyrertod meines Vaters alles vorbei ist." Das ist eine im Nahen Osten durchaus übliche Reaktion: großes Geschrei, wilde Drohungen und das Verbrennen von Fahnen oder Puppen. Danach folgt meist - nichts. Jedenfalls nicht unmittelbar.

Nach der Tötung Soleimanis brachen zunächst die Aktienbörsen ein und der Goldpreis zog an. Der Einbruch der Aktienmärkte war allerdings nur von kurzer Dauer. Als der Iran zur Vergeltung zwei US-Stützpunkte im Irak mit Raketen angriff, die zum Glück keine Menschenleben kosteten (ungeachtet dessen verkündete die iranische Propaganda den Tod von 80 "US-Terroristen"), entspannte sich die Lage wieder. Zur Überraschung aller drehte sich die befürchtete Eskalationsspirale in den direkten Krieg nicht weiter. Der Iran hatte über den unmittelbar bevorstehenden Angriff informiert, die groß angekündigte Rache war also rein symbolischer Natur. Donald Trump reagierte ungewohnt zurückhaltend ("alles ist gut") und verzichtete seinerseits auf weitere Militärschläge, die Börsen drehten anschließend wieder ins Plus und der Goldpreis fiel. Obendrein ist der offenbar versehentliche Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine, der die internen Proteste wieder aufflammen ließ, für das iranische Regime ein herber Rückschlag.

War es das schon? Bloß ein Sturm im Wasserglas? Vermutlich nicht, denn dass der militärisch hoffnungslos unterlegene Iran keine offene Feldschlacht gegen die Amerikaner beginnen würde, war eigentlich zu erwarten. Eine direkte Konfrontation läge zwar emotional nahe, wäre aber für das iranische Regime mit einem unkalkulierbaren Risiko verbunden - gerade weil der als impulsiv geltende US-Präsident nur schwer auszurechnen ist. Dass das Regime in Teheran kühlen Kopf bewahrte, muss uns vielmehr Sorge bereiten. Im Gegensatz zu den USA haben die Mullahs wahrscheinlich eine langfristig angelegte Strategie, wie sie ihr Ziel (die Vorherrschaft in der Region) zu erreichen gedenken. Mit anderen Worten: sie können warten. Die Zeichen stehen daher nur vordergründig auf Entspannung, die asymmetrische Kriegsführung des Iran wird wohl weitergehen. Außerdem gibt es da ja noch den befürchteten Bau der Atombombe, aus der Sicht Teherans ist er jetzt vielleicht notwendiger denn je.

Es wäre deshalb äußerst töricht, dem Iran auf den Leim zu gehen, schließlich hat sich Trump bereits von Kim Jong-un täuschen lassen. Was auf Seiten der Amerikaner fehlt, ist eine schlüssige politische Strategie, die über gelegentliche Militärschläge oder deren Androhung hinausgeht. Doch genau die scheint Donald Trump nicht liefern zu wollen oder nicht liefern zu können. Ob seine Taktik des maximalen Drucks ausreicht, ist zu bezweifeln. Bis dato ist sie jedenfalls gescheitert.