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27. Februar 2021, von Michael Schöfer
Die Lösung sind High Power Charging-Ladesäulen


Beim Elektroauto sind die Auflademöglichkeiten der eigentliche Knackpunkt, leider hapert es damit zur Zeit noch gewaltig. Zumindest in den Ballungsgebieten wird sich daran auf absehbare Zeit kaum etwas ändern. Mit fatalen Folgen: Der Zuwachs an Elektroautos bleibt dort hinter den hochgesteckten Erwartungen zurück. Ein Beispiel: In meiner Heimatstadt Mannheim sind (Stand 01.01.2020) insgesamt 152.834 Pkw zugelassen, davon allerdings nur 436 reine Elektroautos (= 0,29 %). [1] Und es ist anzunehmen, dass ein Gutteil davon Firmenwagen sind.

Nach einer Ende 2020 veröffentlichte Studie sollen bundesweit bis 2030 "76 bis 88 Prozent der Ladevorgänge privat erfolgen. Dementsprechend entfallen 12 bis 24 Prozent auf den Rest." [2] Daraus ergebe sich ein starkes Wachstumspotenzial für Elektrofahrzeuge, doch die Zweifel daran sind nicht von der Hand zu weisen.

Zunächst zum Kaufpreis: Wenn das Elektroauto wirklich den Verbrenner ersetzen soll, muss es ein Massenprodukt werden, nicht nur ein Spielzeug für Besserverdienende. Das günstigste Elektroauto von Volkswagen, der ID.3 Pure, beginnt aktuell bei einem Listenpreis von 31.495 € und der BMW i3 bei 39.000 € (von den viel teureren Audi-, Mercedes- oder Porsche-Modellen ganz zu schweigen). Der günstigste Benziner von VW, der up!, beginnt dagegen schon bei 13.375 Euro. Hierzulande betrug 2019 das durchschnittliche Nettogehalt eines Arbeitnehmers 2.075 Euro pro Monat. Ob ein Neuwagen 15 oder 6,5 Monatsnettogehälter kostet, ist gerade für Normalverdiener oft das ausschlaggebende Kaufargument. Umweltschutz ist letztlich auch eine soziale Frage. Anders ausgedrückt: Idealismus muss man sich leisten können.

Unzureichende Auflademöglichkeiten: In den 81 Großstädten Deutschlands (mit mehr als 100.000 Einwohnern) lebte 2019 fast ein Drittel der Bevölkerung unseres Landes (26,7 von 83,2 Mio.). [3] Ergo muss man auch die Verhältnisse und Möglichkeiten der Großstadtbewohner berücksichtigen. Das geschieht derzeit nur mangelhaft. 76 bis 88 Prozent der Ladevorgänge im Privatbereich werden sich daher kaum realisieren lassen - jedenfalls nicht in den Großstädten.

Mannheim hat ungefähr 300.000 Einwohner, aber in meinem Stadtteil (ca. 11.000 Einwohner) gab es bislang lediglich zwei öffentlich zugängliche Ladesäulen (mit einer Leistung von 22 kW). Ich wiederhole: zwei! Hier haben die wenigsten eine Garage, und es sind keine Straßenlaternen vorhanden, die potenziell einen Stromanschluss bieten könnten, weil die Lampen an Stahlseilen zwischen den Wohnblöcken befestigt sind. Selbst wenn man mit viel Glück einen Parkplatz vor dem eigenen Haus ergattert, darf man kein Verlängerungskabel bis zum Elektroauto legen. Vom 4. Obergeschoss schon gar nicht. Aufladen über Nacht? Kann man deshalb in der Regel vergessen! Diese Wohnsituation wird sich bis 2030 auch nicht grundlegend ändern, weil man die Wohnblocks kaum dem Elektroauto zuliebe abreißen wird, um dann neue Mehrfamilienhäuser mit Tiefgaragen plus Wallboxen zu errichten. Und 20 km über die Autobahn fahren, um an einer Hochleistungs-Ladesäule aufzuladen, macht ebenfalls keiner (wäre obendrein ineffizient). Wie sollen die Menschen ihr Elektroauto, wenn sie denn eins kaufen würden, aufladen?


(Straßenbild Mannheim-Schwetzingerstadt:
dichte Bebauung, kaum Auflademöglichkeiten)

Weil es also in meinem Stadtteil so gut wie keine Auflademöglichkeit, aber immerhin drei herkömmliche Kraftstoff-Tankstellen gibt, hat fast niemand ein Elektroauto. Dieses praktische Problem muss gelöst werden, sonst wird man - zumindest hier - mit dem Elektroauto Schiffbruch erleiden.

Laut der Studie "Mobilität in Deutschland", deren Datenbasis aus den Jahren 2016/2017 stammt, stellen in kreisfreien Großstädten 42 Prozent ihren Pkw im öffentlichen Straßenraum ab, bloß 47 Prozent verfügen über einen privaten Parkplatz. [4] Als Faustregel gilt: Je größer die Stadt, desto kleiner der Anteil von Privatparkplätzen. Und je geringer der Anteil der Privatparkplätze ist, desto weniger Auflademöglichkeiten gibt es. Woher bis 2030 die zusätzlichen Privatparkplätze mit Auflademöglichkeiten kommen sollen, ist angesichts der zunehmenden Urbanisierung vollkommen schleierhaft.

Die Lösung sind High Power Charging-Ladesäulen für Elektroautos. In Mannheim wird gerade der erste Schnell-Ladepark gebaut, dort soll dann das Aufladen mit bis zu 300 kW möglich sein. [5] Wenn es die Technik der Elektroautos hergibt, was nicht zuletzt eine Preisfrage ist (preisgünstige Elektroautos verfügen über eine geringere Ladeleistung), kann man sein Fahrzeug innerhalb einer akzeptablen Zeitspanne aufladen. Weitere HPC-Ladeparks sind in der Planung, ob allerdings am Ende insgesamt 28 Ladepunkte für die Bedürfnisse der 300.000 Einwohner Mannheims ausreichen, wage ich zu bezweifeln. Zum Vergleich: Momentan gibt es hier immerhin 41 Kraftstoff-Tankstellen.

Fazit: Ohne zahlreiche Hochleistungs-Ladesäulen und bezahlbare Elektroautos mit hoher Ladeleistung wird es die Verkehrswende schwer haben.

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[1] Kraftfahrtbundesamt, Bestand an Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern nach Zulassungsbezirken, 1. Januar 2020, Excel-Datei mit 1,2 MB
[2] heise.de vom 07.01.2021
[3] Wikipedia, Liste der Großstädte in Deutschland und Statistisches Bundesamt, Bevölkerung in Deutschland im Jahr 2019 auf 83,2 Millionen gestiegen, Pressemitteilung Nr. 223 vom 19. Juni 2020
[4] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Mobilität in Deutschland, Tabellarische Grundauswertung, Seite 268, PDF-Datei mit 1,9 MB
[5] MVV vom 21.01.2021