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24. Juli 2021, von Michael Schöfer
Eine segensreiche Operation


Der christlich-jüdischen Legende zufolge hat Gott den Menschen zu seinem Ebenbild geschaffen: "Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich." (Genesis 1, 26) Doch bei der Ausführung hat er offenbar mächtig geschludert. Kein kompetenter Konstrukteur würde unsere Gelenke oder die Wirbelsäule derart verschleißanfällig planen, da gibt es bestimmt elegantere Lösungen. Auch dass bei Männern die Harnröhre durch die Prostata verläuft, ist suboptimal - vor allem, weil bei rund 50 Prozent von ihnen die Vorsteherdrüse im Alter zur Vergrößerung neigt (Prostatahyperplasie). Das ist nicht vergnügungsteuerpflichtig: Die Prostata drückt dann zunehmend auf die Harnröhre und verringert dadurch den Harndurchfluss. Folge: Überfallartiger Harndrang, man muss häufiger Wasserlassen, der Harnstrahl ist wesentlich schwächer, die Blase wird nur unvollständig entleert, der Toilettengang ist gelegentlich schmerzhaft und kann sich über mehrere Minuten hinziehen.

[Wikimedia Commons, Male Internal Sexual Anatomy, © Elf Sternberg, Modifications made by
Tsaitgaist, CC BY-SA 3.0, durch den Autor farblich verändert und beschriftet]

Nun ist die Entstehung des Menschen, wie wir heute dank Charles Darwin wissen, der Evolution geschuldet, die Unzulänglichkeiten unseres Körpers daher ein Erbe der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Homo sapiens. Gottes Ebenbild zu sein, ist mithin ein Irrglaube - die Prostatavergrößerung dagegen allzu oft real. So leider auch bei mir. Die Krankenkasse zahlt ab 45 die Krebsvorsorge, und dabei fiel auf, dass mein PSA-Wert ab Anfang 50 kontinuierlich anstieg. Nach insgesamt vier Biopsien und immer größeren Problemen beim Wasserlassen habe ich vor kurzem eine Prostataoperation vornehmen lassen. Bei der Lasernukleation (HoLEP) wird die Prostata mithilfe eines Lasers zerkleinert und der Inhalt abgesaugt. Am Ende bleibt von ihr bloß die Hülle zurück.

Mein Urologe beklagt, dass viele Männer vor der Operation zurückscheuen und stattdessen lieber weiter die immer störenderen Beeinträchtigungen hinnehmen würden. Gewiss, keine Operation ist angenehm, aber ich bin im Nachhinein heilfroh, mich dennoch überwunden zu haben. Und vor allem rechtzeitig. Die im Klinikum Mannheim vorgenommene Lasernukleation hat meine Beschwerden vollkommen beseitigt. Dass ich nach dem Eingriff zwei Tage lang einen Katheter hatte (eher lästig als schmerzhaft), ist mittlerweile vergessen. Alles in allem war ich lediglich drei Tage im Krankenhaus. Nach der anschließenden ca. sechs Wochen dauernden Rekonvaleszenz kann ich sagen: Das Wasserlassen klappt wieder wie bei einem jungen Mann, der überfallartige Harndrang ist verschwunden, die Blase wird wieder vollständig geleert und mein PSA-Wert ist drastisch gesunken (vorher 11,8 ng/ml, danach 0,9). Die Untersuchung des entnommenen Prostatagewebes ergab obendrein keinen Krebsbefund. Einzige verbleibende Einschränkung: Kein Ejakulat mehr beim Orgasmus, aber meine Reproduktionsphase ist ohnehin schon lange vorbei.

Ich kann als leidgeprüfter Betroffener nur davor warnen, die Operation längere Zeit aufzuschieben. Genau das hat mein Mitpatient im Krankenhauszimmer getan. Monate vor der OP war sein Harndurchfluss durch die Prostatavergrößerung vollständig zum Erliegen gekommen, weshalb er durch den Harnrückstau Nierenprobleme bekam und einen Dauerkatheter tragen musste. Unmittelbar nach der OP hat er zudem mehr gelitten als ich. Auch hier gilt Gorbatschows geflügeltes Wort: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben." Mein Rat: Lieber früher als später ins Krankenhaus gehen, weil die Probleme durch Zuwarten nur größer werden (von alleine schrumpft die Prostata nämlich nicht). Für mich war das eine wirklich segensreiche Operation, die meine Lebensqualität spürbar verbessert hat. Und wenn ich künftig nach dem SWR-Wetterbericht auf die Toilette muss, verpasse ich nie mehr den Beginn der Tagesschau.