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26. März 2023, von Michael Schöfer
Ein Porsche-Fahrer hackt dem anderen kein Auge aus


Das ist schon ein besonders mieses Schauspiel, das die FDP da momentan aufführt. Aber immerhin gehen die Liberalen dabei nicht so plump vor wie vor Jahren. Wir erinnern uns: Vor allem auf Druck der FDP senkte die 2009 neu ins Amt gewählte schwarz-gelbe Koalition (Kabinett Merkel II) umgehend den Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen, was damals so gut wie alle als Klientelpolitik mit der Brechstange empfanden (Hoteliers naturgemäß ausgenommen). Und als dann noch eine Spende in Höhe von 1,1 Mio. Euro bekannt wurde, die ein betuchter Hotelbetreiber an die FDP überwies, waren die Liberalen beim Wahlvolk unten durch. Der unaufhaltsame Niedergang der Liberalen hatte begonnen. Bei der Bundestagswahl 2013 verlor sie 9,8 Prozentpunkte und blieb mit einem Zweitstimmenanteil von 4,8 Prozent unter der 5-Prozent-Sperrklausel. Der Alptraum der FDP wurde wahr, sie schied erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik aus dem Bundestag aus.

Heute betreibt die FDP ihre Klientelpolitik ein bisschen geschickter. Ich kann nachvollziehen, dass sich die Liberalen dagegen wehren, dass der Staat eine bestimmte Technik vorschreibt. Auch nach meinem Verständnis von Marktwirtschaft hat er lediglich die Rahmenbedingungen festzulegen, im vorliegenden Fall die Klimaneutralität des Antriebs, sollte es aber der Industrie und den Käufern überlassen, mit welcher Technologie dieses Ziel erreicht wird. Zwar sind einerseits mit synthetischen Kraftstoffen betriebene Verbrenner gegenüber reinen Elektrofahrzeugen deutlich ineffizienter, worauf sogar der ADAC hinweist, andererseits gibt es aber nach wie vor große Vorbehalte gegen batteriebetriebene Autos, was insbesondere am derzeit noch unzureichenden Ausbau der Ladeinfrastruktur und den im Vergleich zur Betankung überlangen Ladezeiten liegt. Theoretisch ist also noch offen, was sich letztlich am Markt durchsetzen wird, doch praktisch dürfte der mit E-Fuels befüllte Verbrenner kein Modell für den Massenmarkt sein.

Genau das ist der Knackpunkt, denn zur Klientelpolitik wird das Ganze, weil - wenig verwunderlich - in erster Linie die Besserverdienenden vom Engagement der FDP für den Verbrenner profitieren. Kritiker behaupten durchaus einleuchtend, mangels genügend Strom aus regenerativen Quellen kämen E-Fuels für die breite Masse gar nicht infrage, ergo wären die Nutznießer der Verbrennertechnik vorrangig auf eine kleine Minderheit begrenzt. Die Naturgesetze, Stichwort Energieeeffizienz (Wirkungsgrade bei der Umwandlung von Energie), kann man bekanntlich nicht betrügen. Porsche-Chef Oliver Blume bekennt ganz offen, dass sich der Verbrenner bei den Pkw nur auf eine kleine, aber höchst profitable Nische konzentrieren wird. Er hat da hauptsächlich den legendären 911er im Blick: "Bei Porsche denken wir an Sonderserien vom 911 - unsere Ikone hat zwar nur 0,05 Prozent Marktanteil, ist aber bei Fans und Kunden weltweit hochbeliebt." [1] Auch Blume gibt dem Verbrenner - neben Kleinserienherstellern wie Porsche - allenfalls noch bei Sonderfahrzeugen für Feuerwehr und Rettungsdienste eine Zukunft. Dass FDP-Chef Christian Lindner privat Porsche fährt, Presseberichten zufolge einen 35 Jahre alten Porsche 911 SC, ist natürlich bloß ein dummer Zufall, hat jedoch mit der Sache überhaupt nichts zu tun. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Jetzt legt Christian Lindner in seiner Eigenschaft als Bundesfinanzminister nach: "Der Bundesfinanzminister will die KfZ-Steuer reformieren: Autos, die mit synthetischen Kraftstoffen fahren, sollen besser gestellt werden", berichtet Spiegel-Online. "Autos, die mit klimaneutralen synthetischen Kraftstoffen - den sogenannten E-Fuels - betankt werden, sollten künftig geringer besteuert werden als die derzeit mit Benzin oder Diesel betriebenen Fahrzeuge." Lindner spielt dabei vordergründig auch noch den Klimaschützer: "Wenn der Kraftstoff klimafreundlich ist, dann muss die Besteuerung von der Kraftfahrzeugsteuer bis zur Energiesteuer angepasst werden." [2] Dem Porsche-Fahrer dürfte es allerdings vor allem um den finanziellen Vorteil der anderen Porsche-Fahrer gehen. Der Autobauer betreibt in Chile eine Pilotanlage zur Herstellung von E-Fuels. Barbara Frenkel vom Porsche-Vorstand: "'Der Kraftstoff, den wir herstellen, ist viel zu teuer, als dass wir ihn so verwenden könnten.' (…) Frenkel erwartet von der Regierung, dass sie zukünftig Einfluss auf die Preise von E-Fuels nimmt. Entweder müssten Emissionen durch die Nutzung fossiler Kraftstoffe besteuert - was diese teurer machen würde - oder E-Fuels müssten begünstigt werden." [3] Et voilà, Christian Lindner liefert.

Ginge es ihm wirklich ums Klima, würde sich die FDP nicht so hartnäckig gegen ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen wehren. Der Verkehrssektor hat bei der Reduzierung von Treibhausgasen bislang kaum Fortschritte erzielt, zwischen 1990 und 2022 steht lediglich ein Minus von 9,4 Prozent zu Buche, die Reduktion ist freilich überwiegend auf das geringere Verkehrsaufkommen während Corona-Pandemie zurückzuführen. [4] Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) weigert sich dennoch beharrlich, konkrete Pläne zur Verwirklichung der gesetzlich festgelegten Klimaziele vorzulegen (2022 wurde das Sektorziel des Klimaschutzgesetzes deutlich überschritten). Klimaschutz wird also in Wahrheit bei der FDP kleingeschrieben.

Die in allerletzter Sekunde erfolgte Weigerung von Volker Wissing, den bereits ausverhandelten Beschlüssen auf EU-Ebene zuzustimmen, hat unsere Partnerländer gehörig irritiert. Das hätte die Regierung, auch wenn man das Ansinnen der Technologieoffenheit vom Grundsatz her teilt, handwerklich wesentlich besser machen müssen. Doch letztlich geht es der FDP, so jedenfalls meine Einschätzung, erneut um Klientelpolitik, denn vom Erhalt des Verbrenners werden im Wesentlichen die betuchten Fahrer von Premiumfahrzeugen profitieren, der breiten Masse werden E-Fuels selbst nach Aussage der Autoindustrie wenig nützen. Wenn man es aus der Sicht von Christian Lindner überspitzt formuliert: Ein Porsche-Fahrer hackt eben anderen Porsche-Fahrern kein Auge aus. Im Gegenteil, er sorgt dafür, dass sie noch lange Freude an ihren vernunftwidrigen Spielzeugen haben. Ob sich das bei Wahlen auszahlen wird? Schaun mer mal. Zumindest dürfte die Anzahl der potenziellen E-Fuel-Fahrer nicht ausreichen, um die 5-Prozent-Sperrklausel zu überwinden.

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[1] Süddeutsche vom 24.03.2023
[2] Spiegel-Online vom 26.03.2023
[3] AutoBild vom 11.02.2023
[4] Umweltbundesamt vom 15.03.2023