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"Falls Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf,
den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen."
(George Orwell, 1903-1950, britischer Schriftsteller)
 
"Glaube denen, die die Wahrheit suchen,
und zweifle an denen, die sie gefunden haben."
(André Gide, 1869-1951, französischer Schriftsteller)
 
"Ich sah an alles Tun, das unter der Sonne geschieht,
und siehe, es war alles eitel und Haschen nach Wind."
(Kohelet)



11. Dezember 2023, von Michael Schöfer
Sind wir das neue Westrom?


Nehmen wir einmal an, rein hypothetisch, versteht sich, Winston Churchill hätte 1941 gesagt, dass der Krieg nun schon viel zu lange dauert, zahlreiche Opfer gekostet und horrende Staatsausgaben verursacht hat. "Wir müssen das Töten beenden, bieten wir dem Nazi doch Frieden an. Meinetwegen kann er den Kontinent haben. Hauptsache, wir haben unsere Ruhe." Churchill wäre wohl kaum als der heroische Kriegspremier in die Geschichtsbücher eingegangen, der er in Wahrheit gewesen ist ("we shall never surrender"). Womöglich hätte auch US-Präsident Franklin D. Roosevelt gefragt: "Was geht uns dieser Krieg im fernen Europa an? Sollen die Europäer das Problem doch selbst lösen." Er hätte also nie das Leih- und Pachtgesetz in Kraft gesetzt, um entgegen der vorherrschenden isolationistischen Stimmung der Amerikaner die Briten im Überlebenskampf mit Waffen und Munition zu unterstützen.




10. Dezember 2023, von Michael Schöfer
Erst einmal tief Luft holen und gründlich nachdenken


Es ist wenig ratsam, aus einer emotional aufgeladenen Stimmung heraus Gesetze zu kreieren. Wenn beispielsweise aufgrund eines - gewiss tragischen - Einzelfalls der Jahrtausende alte Rechtsgrundsatz, dass man nicht zweimal in derselben Sache angeklagt werden darf, über Bord geworfen wird, darf man mit Fug und Recht Zweifel anmelden, ob das wirklich der Weisheit letzter Schluss ist. Der Gesetzgeber wischte solche Bedenken allerdings beiseite. 1981 wurde eine 17-Jährige vergewaltigt und erstochen, ein angeklagter Tatverdächtige aber 1983 rechtskräftig freigesprochen. 2012 ergab eine DNA-Untersuchung, die Anfang der achtziger Jahre noch nicht möglich war, dass er trotzdem der Täter sein könnte. Auf Drängen des Vaters der Getöteten hat der Gesetzgeber den eingangs genannten Rechtsgrundsatz aufgehoben und die Strafprozessordnung entsprechend geändert, seit 2021 konnte man einen zuvor Freigesprochenen erneut anklagen, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel vorliegen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Änderung jedoch im Oktober 2023 für verfassungswidrig erklärt.




03. Dezember 2023, von Michael Schöfer
Hehre Ziele und schöne Worte allein genügen nicht


Bundeskanzler Olaf Scholz formulierte es auf der 28. UN-Klimakonferenz in Dubai klar und deutlich: "Noch ist es möglich, dass wir die Emissionen in dieser Dekade so weit senken, dass wir das 1,5-Grad-Ziel einhalten." Aber "die Wissenschaft sagt uns ganz klar: Wir müssen uns dafür sehr beeilen." Das ist absolut richtig, bloß muss man es zu Hause eben auch tun. Doch genau daran, rasch und entschlossen zu handeln, scheitert die Bundesregierung.




25. November 2023, von Michael Schöfer
Von Konservativen und Marktradikalen ist Schlimmes zu erwarten


"Es geht eben nicht mehr alles", sagt der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz und schlägt vor, beim Bürgergeld und der Kindergrundsicherung kürzen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Der Privatflugzeugbesitzer und ehemalige Einkommensmillionär (Merz 2018 zu Bild am Sonntag: "Heute verdiene ich eine Million Euro") will ausgerechnet bei den Ärmsten sparen. Das passt eigentlich gar nicht zum Image des sonst so empathisch auftretenden Politikers. (Achtung: Könnte Spuren von Ironie enthalten.)